Wohnungsbau hat in Berlin wieder Konjunktur. Während die städtischen Wohnungsbaugesellschaften und die Genossenschaften bemüht sind, bezahlbare Mietwohnungen zu errichten, reiten private Bauträger weiter auf der Luxuswelle: Sie bauen überwiegend Eigentumswohnungen, vor allem im oberen Preissegment. Nur in wenigen größeren Bauprojekten sind auch preisreduzierte Mietwohnungen vorgesehen. Trotz ihrer intensiven Bautätigkeit ist der Beitrag privater Bauherren zur Entspannung des Wohnungsmarktes sehr gering.
Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel drückt auf die Neubau-Tube. Gefragt sei eine „gemeinsame Kraftanstrengung“, die nicht nur die städtischen Wohnungsbaugesellschaften unternehmen müssten. „Auch private Bauherren müssen sich engagieren, um mehr bezahlbaren Wohnraum für unsere wachsende Stadt zu schaffen“, fordert Geisel. Ob sich die privaten Bauträger von diesem Appell beeindrucken lassen?
Anders als städtische Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften sind private Bauträger weder der öffentlichen Hand noch einer genossenschaftlichen Gemeinschaft verpflichtet. Die oberste Maxime ist die Rendite – Wohnungen werden nur errichtet, wenn sie Gewinn versprechen.
Der Großteil der aktuellen Bautätigkeit wird von privaten Gesellschaften bewerkstelligt. Etwa 70 Prozent aller neuen Wohnungen werden als Eigentumswohnungen errichtet. In den übrigen 30 Prozent Mietwohnungen machen dagegen die Projekte der städtischen Gesellschaften und der Genossenschaften einen großen Teil aus. Dass private Bauträger Mietwohnungen bauen, ist die Ausnahme.
Viele der neuen Eigentumswohnungen gelangen trotzdem auf den Mietwohnungsmarkt, denn die Einzeleigentümer kaufen sie meistens als Kapitalanlage, ohne selbst dort wohnen zu wollen. Für Entspannung sorgen diese Wohnungen dort aber kaum, denn Mangel herrscht vor allem an bezahlbaren, kleinen Wohnungen. Gebaut werden aber vor allem mittlere bis große Wohnungen mit teuren Mieten. Selbst bei den günstigsten Bauprojekten entsteht bei den geläufigen Renditeerwartungen der Eigentümer eine Miete, die sich ein Berliner Durchschnittshaushalt nicht leisten kann. Das momentan übliche Verhältnis: Der Kaufpreis entspricht dem 14- bis 18-fachen der Jahresnettokaltmiete. Schon bei einem Kaufpreis von 2000 Euro pro Quadratmeter – billiger ist kaum eine Neubauwohnung zu haben – wird also mindestens eine monatliche Nettokaltmiete von 9,25 Euro pro Quadratmeter fällig. Die Neubau-Kaufpreise bewegen sich hauptsächlich zwischen 2500 und 4500 Euro, zum Teil aber noch deutlich darüber: In einem Hochhaus am Friedrichshainer Spreeufer müssen Käufer für jeden einzelnen Quadratmeter fast 20.000 Euro hinblättern.
Bei den von vornherein zur Vermietung vorgesehenen Wohnungen sieht es ähnlich aus. In den Immobilienportalen sind so gut wie keine Neubauwohnungen unter 10 Euro pro Quadratmeter kalt zu finden. Bei den wenigen günstigeren Angeboten handelt es sich oft um Staffelmieten, die in kurzer Zeit die 10-Euro-Marke überschreiten. Das Gros der Angebote liegt zwischen 11 und 14 Euro. Auch hier ist die Skala nach oben offen. So muss man im Designer-Haus „Yoo Berlin“ am Bertolt-Brecht-Platz in Mitte annähernd 19 Euro für den Quadratmeter zahlen, in einem Neubau an der Kastanienallee fast 20 Euro und am Leipziger Platz sogar 28 Euro.
Geschäfte auf Gegenseitigkeit
In einigen größeren Projekten sind aber auch günstigere Mieten vorgesehen. Diese ergeben sich aus Verhandlungen des jeweiligen Bezirksamts mit dem Bauträger. Da bei der Neubebauung großer Flächen – anders als beim Schließen von innerstädtischen Baulücken – in der Regel ein amtlicher Bebauungsplan aufgestellt werden muss, kann das Stadtplanungsamt für Zugeständnisse auf der einen Seite Bedingungen auf der anderen Seite stellen. So bekam der Bezirk Pankow vom Investor Kurt Krieger die Zusage, dass 250 der 750 Wohnungen, die auf dem ehemaligen Rangierbahnhof Pankow gebaut werden sollen, zu 5,50 Euro pro Quadratmeter nettokalt vermietet werden. Dafür darf Krieger ein großes Möbelhaus bauen. Ein wesentlich magereres Ergebnis holte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in der Europacity heraus: Der Investor CA Immo muss innerhalb des riesigen Entwicklungsbereichs an der Heidestraße nur 42 preisgebundene Wohnungen errichten, die mit 7,50 Euro pro Quadratmeter auch nicht besonders billig sind.
Der altgediente Baulöwe Klaus Groth holt sich bei drei Bauvorhaben kommunale Wohnungsbaugesellschaften ins Boot, die einen Teil der Wohnungen mit öffentlicher Förderung bauen und zu durchschnittlich 6,50 Euro vermieten sollen. In Lichterfelde-Süd sind 500, am Mauerpark 120 und an der Lehrter Straße 150 neue Sozialwohnungen geplant.
Auch der Investor Bauwert – bekannt für Luxusneubauten wie die „Rosengärten“ an der Württembergischen Straße oder die „Kronprinzengärten“ auf dem Friedrichswerder – kooperiert auf dem Freudenberg-Areal mit einer städtischen Gesellschaft. Von den 650 Wohnungen, die Bauwert auf der Industriebrache an der Boxhagener Straße bauen will, wird die Howoge 122 geförderte Wohnungen sowie eine Kita errichten.
Unter den privaten Bauvorhaben gibt es nur diese wenigen Großprojekte, in denen preisgünstige Mietwohnungen vorgesehen sind. Deren Anteil macht überall höchstens ein Drittel aus. Bei den vielen kleineren Projekten sieht sich kein privater Investor bemüßigt, sich auch nur ein kleines soziales Feigenblättchen vorzuhängen. Zwischen Friedrichshain und Charlottenburg wird vor allem für das obere Drittel der Einkommensskala gebaut. Ein Ende des Luxusbooms scheint nicht in Sicht.
„Jede Wohnung hilft dem angespannten Wohnungsmarkt“, ist ein Credo des vormaligen Stadtentwicklungssenators und jetzigen Regierenden Bürgermeisters Michael Müller. Doch die Masse der Berliner Wohnungssuchenden hat von den neuen teuren Eigentumswohnungen nichts, denn der vielbeschworene Sickereffekt funktioniert auf dem engen Wohnungsmarkt nicht. Die Theorie besagt, dass ein wohlhabenderer Mieter, der sich eine teurere Wohnung leisten kann, beim Umzug eine günstigere Wohnung frei und so Platz für einen weniger begüterten Mieter macht.
In der Praxis verlangen die Vermieter aber bei der Wiedervermietung – solange sie noch nicht von der Mietpreisbremse daran gehindert werden – in aller Regel eine weitaus höhere Miete als zuvor. Das heißt: Die freiwerdende Wohnung bleibt für Wohnungssuchende mit wenig Geld unerreichbar.
Jens Sethmann
04.05.2017