Über 2000 handbetriebene Wasserpumpen stehen an Berlins Straßenrändern. Vor allem in der Innenstadt findet man noch fast 300 historische Pumpen. Die mit Tierfiguren, Girlanden und Wappen verzierten Säulen aus grün gestrichenem Gusseisen werden nicht nur aus nostalgischen Gründen erhalten. Sie sichern zusammen mit den neueren Pumpen im gesamten Stadtgebiet die Wasserversorgung der Bevölkerung in Notfällen.
Berlin bezieht sein Trinkwasser seit jeher aus dem Erdreich. Die Voraussetzungen dafür sind günstig. Man muss nicht tief graben, um an die ersten Grundwasser führenden Bodenschichten zu kommen. Der sandige Boden sorgt dafür, dass das versickernde Wasser gut gefiltert wird. Das Grundwasser hat dadurch oft schon ohne eine Aufbereitung Trinkwasserqualität.
Bis weit ins 18. Jahrhundert haben die Berlinerinnen und Berliner ihr Trinkwasser aus Ziehbrunnen geholt. In den meist fünf Meter tiefen, gemauerten Schächten sammelte sich das Grundwasser, das mit einem an einem Seil befestigten Eimer heraufgezogen wurde. Jedes Haus musste im Hof einen solchen Brunnen haben. Zum Feuerlöschen musste vorsorglich neben dem Brunnen ein Bottich stehen, der ständig mit Wasser befüllt war. Nach und nach wurden die Ziehbrunnen durch Pumpen mit Schwengel ersetzt. Damit konnte aus tieferen Schichten saubereres Wasser hochgepumpt werden. Im Jahr 1830 gab es in Berlin 5400 Hofbrunnen. Dazu kamen 600 öffentliche Straßenbrunnen, die über das ganze damalige Stadtgebiet verteilt waren.
Die Pumpen wurden rege genutzt, allerdings nicht nur zum Wasserholen. Das königliche Amtsblatt mahnte im Jahr 1837: „Dem Publikum wird hierdurch in Erinnerung gebracht, daß das Spülen der Wäsche an den öffentlichen Straßenbrunnen bei 15 Silbergroschen Strafe für jeden Kontraventionsfall verboten ist.“
Nach dem Bau des ersten Berliner Wasserwerks vor dem Stralauer Tor wurden die Häuser ab 1856 an die zentrale Wasserversorgung angeschlossen. Die Pumpen verloren dadurch zwar ihre Bedeutung für die Trinkwasserversorgung, wurden aber für Notfälle beibehalten und für die Feuerwehr technisch verbessert. Ab 1877 wurden 450 eiserne Rohrbrunnen nach der Bauart von Otto Greiner und Louis Lohde aufgestellt. Anders als heute wurden diese Modelle nicht mit einem Pumpenschwengel betätigt, sondern mit einem Handgriff, den man senkrecht hochzieht und herabdrückt.
Für die nächste Pumpengeneration suchte die Stadt 1890 mit einer Ausschreibung nach einer repräsentativeren Gestaltung. Den Zuschlag bekamen die reich verzierten neobarocken Pumpen des Regierungsbaumeisters Otto Stahn. Die Gehäuse seiner Straßenpumpen stellte die Eisengießerei Lauchhammer her. Die „Lauchhammer-Pumpe“ gibt es in drei Versionen: Typ I hat einen Fischkopf als Wasserspeier, bei Typ II ist es ein Drachenkopf, den seltenen Typ III erkennt man am Berliner Wappenbären am Sockel. Zu Füßen der Pumpe wurde ein Tränkstein in die Bordsteinkante eingefügt: eine Granitplatte mit eingearbeiteter Mulde, in der sich das abfließende Brunnenwasser sammelt. Pferde, Hunde und Vögel konnten sich hier erfrischen.
Funktionale Gestaltung bei jüngeren Modellen
Die seinerzeit noch eigenständigen Städte Charlottenburg, Wilmersdorf und Schöneberg stellten ebenfalls Lauchhammer-Pumpen auf. Andere Gemeinden hatten eigene Pumpenmodelle. So hat etwa Pankow aufwendig gestaltete Säulen aufgestellt, die einen stilisierten Delfin als Wasseraustritt aufweisen.
Im vereinigten Groß-Berlin kamen ab 1925 die einfacher gestalteten „Krause-Pumpen“ zum Einsatz. Auch sie wurden nach dem Hersteller, dem Eisenhütten- und Emaillierwerk Wilhelm von Krause, benannt. Sie haben die Form einer klassizistischen Säule und sind deutlich schlanker als die Vorgängermodelle.
Die ab 1930 aufgestellten Pumpen waren hingegen rein funktional und hatten keine Verzierungen mehr. Unter den verschiedenen Bauarten ragt noch das 1969 vom Architekten Fridtjof Schliephacke entworfene Modell hervor. Es weist kantige Formen im Bauhausstil auf. Auch das Austrittsrohr ist in einem quadratischen Metallgehäuse versteckt, so dass dieses Gebilde nicht sofort als Pumpe erkannt wird. Heute ist von den Greiner-Lohde-Brunnen nur noch ein einziges Exemplar in der Wöhlertstraße in Mitte erhalten. Von den Lauchhammer- und Krause-Pumpen gibt es jeweils noch rund 125, vom Modell Pankow noch 27 Exemplare.
Ihren Nutzen für die Notfallversorgung haben die Straßenpumpen erstmals im März 1920 beim Kapp-Putsch bewiesen. Um den rechtsgerichteten Staatsstreich von Freikorps- und Reichswehreinheiten zu ersticken, hatten die Gewerkschaften in Berlin einen Generalstreik ausgerufen, der die Putschisten nach wenigen Tagen zur Aufgabe zwang. Dabei streikten auch die Arbeiter der Wasserbetriebe. Die Pumpwerke standen still, es war kein Druck mehr in den Trinkwasserleitungen. Doch die Berliner konnten sich an den Straßenpumpen mit sauberem Wasser versorgen.
Die Bilder von langen Schlangen an den Wasserpumpen wiederholten sich gegen Ende des Zweiten Weltkriegs auf weit dramatischere Weise. Durch die Bombardierung Berlins waren vielerorts sowohl die Pumpwerke als auch die Leitungsnetze zerstört. Große Teile der Bevölkerung waren auf die dezentrale Versorgung an den damals rund 700 Pumpen angewiesen. Auch nach dem Krieg waren viele Berliner noch lange von den Straßenbrunnen abhängig, bis die Wasserversorgung repariert war.
Versorgungsmöglichkeit bis heute vorgeschrieben
Aufgrund dieser Erfahrung werden die Waserpumpen bis heute beibehalten. Nach dem Wassersicherstellungsgesetz von 1965 soll sich deutschlandweit die gesamte Bevölkerung netzunabhängig mit Trinkwasser versorgen können. Vorgesehen sind täglich 15 Liter pro Person. Zuständig ist das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK). In Berlin gibt es heute rund 2070 Straßenbrunnen.
Etwa die Hälfte der Pumpen liefert Wasser in Trinkwasserqualität. Die Gesundheitsämter der Bezirke lassen das regelmäßig überprüfen. Pumpen, deren Wasser den Qualitätsstandard nicht erfüllen, sind mit einem „Kein Trinkwasser“-Schild gekennzeichnet. Im Katastrophenfall werden Chlor-Tabletten zur Desinfektion ausgegeben.
Ein regelmäßiges Betätigen hält die Pumpenmechanik funktionsfähig und ist daher erwünscht. Das früher beliebte Autowaschen ist jedoch verboten, weil die versickernde Seifenlauge das Grundwasser verschmutzt.
Jens Sethmann
Die Notversorgung hat Lücken
Für die Notwasserversorgung hat Berlin zu wenig Straßenpumpen. Nach dem Richtwert von einem Brunnen pro 1500 Einwohner müsste Berlin 2450 statt aktuell 2070 Wasserentnahmestellen haben. Für den Bezirk Pankow hat eine Anfrage des SPD-Bezirksverordneten Gregor Kijora ernüchternde Ergebnisse zutage gebracht: Es gibt hier nur 136 Pumpen, doch aufgrund der schnell gewachsenen Einwohnerzahl wären heute fast doppelt so viele notwendig. Dazu sind auch noch 31 der 136 Pumpen nicht funktionsfähig. Der Neubau eines Brunnens kostet 30.000 Euro. In der Praxis reicht das Geld aber nicht mal für die Instandsetzung der vorhandenen Pumpen. „Im Land Berlin wie auch in seinen Bezirken wird die Notwasserversorgung für die Bevölkerung fahrlässig missachtet“, meint Kijora.
js
27.03.2020