Mitte 2020 ist ein neues Förderprogramm zur Stärkung von Großsiedlungen außerhalb des S-Bahn-Rings angelaufen. Es geht dabei vor allem um die Unterstützung nachbarschaftlicher Aktivitäten. Erste Projektbeispiele gibt es bereits.
Eine der 24 Großsiedlungen, die im Rahmen des Förderprogramms Gelder für Aktionen und Projekte erhalten, ist das Allende-Viertel II in Köpenick. Die einzige Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtung im Gebiet, der „Würfel“, konnte sich Anfang Dezember über einen neuen Airhockey-Tisch, ein Dartspiel, Softbälle und andere Spielmaterialien freuen. Der Würfel befindet sich gegenüber eines Übergangswohnheimes und ist daher auch für Jugendliche mit Fluchterfahrung eine wichtige Anlaufstelle. Beantragt und überreicht wurde das neue Equipment vom Verein „Allende 2 hilft e.V“. Er engagiert sich seit vielen Jahren für eine gute Nachbarschaft im Kiez. „Wir sind froh, dass wir mit dem Verein einen so engagierten Partner vor Ort haben“, erklärt Nancy Leyda-Siepke, Gebietskoordinatorin im Bezirksamt Treptow-Köpenick. Bereits im November waren im Allende-Viertel drei Bänke am Waldrand aufgestellt worden. Die vielen Senioren – 40 Prozent der Bewohner sind älter als 65 – können nun auf ihrem Spazierweg zum Müggelsee eine Ruhepause einlegen.
Den Großsiedlungen hänge häufig zu Unrecht ein negatives Image an, so die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen bei der Vorstellung des Förderprogramms. Es gebe aber zweifellos besondere Herausforderungen und Problemlagen. Gegen sie will man angehen – mit Verbesserungen des Wohnumfelds, mit der Schaffung attraktiverer Grün- und Freiflächen, und das alles bei gleichzeitiger Aktivierung der Bewohnerschaft. Das klingt in Anbetracht des ausgesprochen geringen Fördervolumens nach einem Mini-Quartiersmanagement. Doch bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung betont man, dass beide Programme nicht miteinander zu vergleichen seien. Zwar würden ganz ähnliche Ansätze wie im Programm „Sozialer Zusammenhalt“ (ehemals: „Soziale Stadt“) verfolgt. Aber Quartiersmanagement-Büros mit Vor-Ort-Teams sollen in den Großsiedlungen nicht zum Einsatz kommen. Wo immer möglich, soll an bestehende Strukturen, insbesondere Stadtteilzentren, zur Koordinierung der Maßnahmen angedockt werden. Für diese Koordination können die Bezirke bis zu 40.000 Euro beantragen. Der Start sei hopplahopp erfolgt, heißt es in mehreren Bezirken, noch dazu unter den erschwerten Bedingungen der Corona-Pandemie. Viele Bezirke sind noch dabei, Projektanträge zu schreiben.
Spandau soll in Bewegung kommen
Spandau beabsichtigt, mit Projekten in zwei Großsiedlungen dabei zu sein: in Hakenfelde und der Louise-Schroeder-Siedlung in Staaken. Ein Bedarf hat sich bereits herauskristallisiert, er wurde unter anderem in Stadtteilkonferenzen mit den Bewohnern ermittelt. „Bei uns ist Bewegung das große Thema und zwar quer durch alle Altersgruppen. Wir bewegen uns zu wenig – gerade in Corona-Zeiten“, erklärt Tanja Götz-Arsenijevic, Koordinatorin im Bezirksamt Spandau. Geplant sind daher Sportangebote im öffentlichen Raum und auch Kiezspaziergänge. Die Stadtteilkoordination vor Ort ist gut vernetzt und werde ermitteln, was gebraucht wird.
Angesichts der nicht gerade üppigen Förderbeträge handelt es sich häufig um Erneuerungen oder Verbesserungen bereits bestehender Projekte. So erhielt der Nachbarschaftsgarten am Blumberger Damm in Marzahn für 25.000 Euro eine neue Wasserpumpe samt Anschlüssen. Der Garten, der zwischen einer Unterkunft für Geflüchtete und einem Wohnhaus liegt, wurde vor einigen Jahren mit Mitteln des Stadtumbaus angelegt. Neue und alteingesessene Nachbarn sollen hier über das Gärtnern zusammengebracht werden. Mehr Grün im Quartier erhöht zudem die Wohnqualität für alle Generationen. Projektpartner sind die Berliner Werkstätten für Menschen mit Behinderung (BWB). Sie engagieren sich auch für die notwendige dauerhafte Pflege.
In Pankow wurden 2020 bereits 61.000 Euro ausgegeben, unter anderem für die Ausstattung der Skateranlage in der Wolfgang-Heinz-Straße in Buch. Sie befindet sich in unmittelbarer Nähe zu einer Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete. Der Verein Spielkultur, der seinen Sitz direkt neben der Anlage hat, hält Kontakt zu den Skatern, leitet sie an, gibt Tipps zum Thema Sicherheit und leiht auch Material aus. Ein weiteres Highlight für die Großsiedlung Buch soll noch in diesem Jahr fertig werden: eine Kunsteisbahn, auf der man das ganze Jahr über Schlittschuh laufen kann.
Für alle Gebiete gibt es einen kleinen Kiezfonds, den Verfügungsfonds. Hier können Bürger und Initiativen Ideen einreichen. Mit maximal 1000 Euro werden aus diesem Topf nachbarschaftliche oder sozio-kulturelle Aktionen, etwa Feste und Veranstaltungen, unterstützt. Außerdem werden Maßnahmen finanziert, die den öffentlichen Raum attraktiver machen.
Die Bewohner haben viele Ideen
In Charlottenburg-Wilmersdorf, wo 2020 noch keine Projekte umgesetzt wurden, registriert man ein großes Interesse der Bewohnerschaft. „Wir haben viele Projektvorschläge bekommen, berichtet die bezirkliche Gebietskoordinatorin Doris Leymann. Im Wohnkomplex Schlangenbader Straße – neben der Paul-Hertz-Siedlung eine der beiden beteiligten Großsiedlungen – gibt es bereits Initiativen aus der Mieterschaft, an die man anknüpfen konnte. Voraussichtlich im März sollen die ersten Projekte starten.
In der John-Locke-Siedlung in Lichtenrade soll das Geld vor allem den Jugendlichen zugutekommen. Für sie gibt es in der Siedlung aus den 1960er Jahren praktisch keine Angebote. Outreach, ein Träger der mobilen Jugendarbeit, soll die Jugendlichen aufsuchen und fragen, was sie vermissen. Im John-Locke-Treff, der von einer Tochter der Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land betrieben wird, treffen sich überwiegend die älteren Bewohner. Dort gab es den Wunsch, eine Stadtteilzeitung zu produzieren. Die erste Ausgabe des „John-Locke-Blatt“ ist bereits erschienen.
Im interkulturellen Garten Landsberger Allee/Liebenwalder Straße ist sogar im tiefsten Winter etwas los. Irene Sacchi, Leiterin der noch im Bau befindlichen neuen Kita direkt nebenan, freut sich schon auf gemeinsame Projekte mit Jugendeinrichtungen und Anwohnern. Den rund 10.000 Quadratmeter großen Garten gibt es seit 2007. Auf den 44 Parzellen gärtnern überwiegend Familien aus der benachbarten Großsiedlung. Auf dem Gelände ist so viel Platz, dass hier auch Flohmärkte, Bastelgruppen, ein Repair-Café und andere Angebote für die Nachbarschaft stattfinden – und dank der neuen Fördermittel künftig auch ausgeweitet werden können.
Birgit Leiß
Der Fokus liegt auf den Außenbezirken
Das Senatsprogramm „Stärkung Berliner Großsiedlungen“ wurde im Frühsommer 2020 gestartet und soll bis 2024 laufen. Insgesamt je 1 Million Euro für 2020 und 2021 fließt in Großsiedlungen (ab 2000 Wohnungen). Bedingung ist, dass sie außerhalb des S-Bahn-Ringes liegen und dass es dort kein Quartiersmanagement gibt. Zehn Bezirke wurden in das Programm aufgenommen. Lediglich in Friedrichshain-Kreuzberg und Reinickendorf befinden sich keine Großsiedlungen, die diesen Kriterien entsprechen.Gefördert werden Projekte aus den folgenden Handlungsfeldern:
- Stärkung des nachbarschaftlichen Miteinanders,
- Unterstützung freiwilligen Engagements,
- Förderung der Integration,
- Schaffung attraktiver Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche,
- Verbesserung der Aufenthaltsqualität,
- Beteiligung, Vernetzung und Kooperation.
bl
https://kiezgestalten.de/buerger-innen/
04.05.2023