Menschen, die wegen hohen Alters, schwerer Krankheiten oder einer Behinderung besonders hilfsbedürftig sind, kann eine betreuende Person zur Seite gestellt werden. Der Antrag auf Betreuung ist an das Amtsgericht zu richten, in dem der zu Betreuende wohnt. Bevor das Gericht eine Betreuung anordnet, hört es den Betroffenen an und versucht, seinen Wünschen gerecht zu werden. Es bevorzugt enge Angehörige, die zur Betreuung bereit und nach Ansicht des Gerichts auch geeignet sind. Oft steht aber kein Familienmitglied bereit, und so haben die Rechtsberater des Berliner Mietervereins (BMV) es überwiegend mit Berufsbetreuern zu tun, wenn das Mietverhältnis des Betreuten rechtliche Hilfe erfordert.
Folgende Fragen behandelt dieser Artikel:
- Inwieweit dürfen Betreute ohne Zustimmung des Betreuers handeln?
- Was bedeutet „beschränkt geschäftsfähig“ in der Praxis?
- Was gilt beim Abschluss eines Mietvertrages?
- Kann der Betreuer die Einweisung in ein Pflegeheim erzwingen?
- Schützt die Betreuung des Mieters vor einer Kündigung des Vermieters?
- Was gilt bei Zustellung von Vermieterschreiben an den Betreuer?
- Kann der Betreuer den Zutritt zur Wohnung erzwingen, um diese zu entrümpeln?
- Muss der Betreuer besonderen Informationspflichten nachkommen?
- Kann auch der Vermieter eine Betreuung anregen?
- Wann kann ein Betreuer entlassen werden?
1. Inwieweit dürfen Betreute ohne Zustimmung des Betreuers handeln?
Rund 90 Prozent aller Betreuten gelten als geschäftsfähig und dürfen selbstständig Rechtsgeschäfte vornehmen, zum Beispiel Mieterhöhungen zustimmen oder die Wohnung selbst kündigen. Ist allerdings die Betreuerin oder der Betreuer für die Aufenthaltsbestimmung oder das Mietverhältnis zuständig, muss der Betreute die beabsichtigte Kündigung dem Betreuungsgericht zwecks Zustimmung mitteilen. Auch der Betreuer kann das Mietverhältnis für den betreuten Mieter kündigen, aber auch er muss das dem Gericht mitteilen. Ist der Betreute geschäftsfähig und nicht damit einverstanden, genehmigt das Gericht die Kündigung nicht. Denn die Wünsche des Betreuten in einer so existenziellen Frage wie dem Wohnen wiegen schwer.
2. Was bedeutet „beschränkt geschäftsfähig“ in der Praxis?
Das Betreuungsgericht kann anordnen, dass alle Willenserklärungen, die die Aufgaben der Betreuung betreffen, der Einwilligung des Betreuers bedürfen. Damit ist der Betroffene nur noch „beschränkt geschäftsfähig“. In einem solchen Fall kann der Betreuer zum Beispiel den Mietvertrag kündigen, ohne dass der Einspruch des Betreuten beachtlich ist. Wichtige Erklärungen des Vermieters wie Mieterhöhungen sind dann erst wirksam, wenn sie dem Betreuer zugehen.
3. Was gilt beim Abschluss eines Mietvertrages?
Der Abschluss eines Mietvertrages bedarf nur dann einer Genehmigung des Betreuungsgerichts, wenn er über vier Jahre hinaus befristet ist oder – bei unbefristeten Verträgen – ein Kündigungsausschluss von mehr als vier Jahren besteht.
4. Kann der Betreuer die Einweisung in ein Pflegeheim erzwingen?
Wenn der Aufgabenkreis des Betreuers die „Aufenthaltsbestimmung und Gesundheitsfürsorge“ umfasst, kann er ein Verfahren zur Unterbringung in einem Pflegeheim einleiten. Letztlich entscheidet das Gericht darüber nach Anhörung oder Begutachtung des Betreuten. Bei einer Einweisung in ein Pflegeheim muss unumstößlich feststehen, dass der Betreute nicht mehr in seine eigene Wohnung zurückkehren kann. Wegen der Bedeutung einer solchen Maßnahme muss das Gericht dem Betreuten im Anhörungsverfahren einen sogenannten Verfahrenspfleger gemäß § 276 des Gesetzes über Verfahren in Familiensachen und der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) zur Seite stellen.
5. Schützt die Betreuung des Mieters vor einer Kündigung des Vermieters?
Grundsätzlich nicht. Fristlose Kündigungen setzen kein Verschulden voraus, so dass der Betreute zum Beispiel bei schwerwiegenden Störungen des Hausfriedens nicht einwenden kann, dass er unter Betreuung steht. Bei betreuten Mietern, die wegen Mietrückständen gekündigt werden, ist zu berücksichtigen, ob sie in der Lage waren, die für die Mietzahlung notwendigen Handlungen vorzunehmen (Landgericht Berlin vom 15. Dezember 1995 – 64 S 280/95).
6. Was gilt bei Zustellung von Vermieterschreiben an den Betreuer?
Der Betreuer ist grundsätzlich nicht – wie etwa ein Anwalt – Zustellungsbevollmächtigter eines geschäftsfähigen Betreuten. Etwas anderes gilt, wenn das Gericht ihm übertragen hat, auch die Post des Betreuten entgegenzunehmen und zu öffnen, oder wenn der Betreute ihm eine Zustellvollmacht erteilt hat. Auf keinen Fall haftet der Betreuer anstelle des Mieters. Er kann also beispielsweise nicht persönlich auf die Vornahme von Schönheitsreparaturen verklagt werden.
7. Kann der Betreuer den Zutritt zur Wohnung erzwingen, um diese zu entrümpeln?
Die Aufgabe „Wohnungsangelegenheiten“ beinhaltet zwar das Recht, die Wohnung zu Kontrollzwecken zu betreten. Wird dies vom Betreuten verweigert, entscheidet das Gericht, ob der Betreuer in die Wohnung darf. Das gilt selbstverständlich auch, wenn der Zutritt zum Zweck einer Entrümpelung gedacht ist und der Betreute den Zutritt verweigert. Gerade an diesem Fall zeigt sich, wie wichtig es ist, im Zuge der gerichtlichen Anordnung einer Betreuung die Aufgaben genau festzulegen und so vorausschauend wie möglich zu konkretisieren.
8. Muss der Betreuer besonderen Informationspflichten nachkommen?
Ja, der Betreuer hat dem Betreuungsgericht gemäß § 1907 Bürgerliches Gesetzbuch alle wichtigen Umstände mitzuteilen, die eine baldige Beendigung eines Mietverhältnisses erwarten lassen, zum Beispiel eine drohende Kündigung wegen Mietrückständen. Der Zugang einer „saftigen“ Mieterhöhung ist ebenfalls dem Gericht mitzuteilen, wenn naheliegt, dass der Betreute nach der Erhöhung die Miete nicht mehr zahlen kann.
9. Kann auch der Vermieter eine Betreuung anregen?>
Ja, zum Beispiel, um wirksam kündigen zu können. Nicht ausreichend wäre aber der Grund, ausstehende Forderungen leichter eintreiben zu können. Voraussetzung dürfte stets sein, dass der Mieter geschäftsunfähig oder zumindest nicht mehr in der Lage ist, seine konkrete Lebensgestaltung zu regeln und erforderliche Angelegenheiten selber zu erledigen. Im Zweifel wird das Gericht den Mieter begutachten lassen. Der Antragsteller hat gegen eine ablehnende Entscheidung des Gerichts ein Beschwerderecht. Gleiches gilt übrigens auch für einen Mieter, der erfolglos eine Betreuung seines Vermieters angeregt hat.
10. Wann kann ein Betreuer entlassen werden?
Das ist gemäß § 1908 b Bürgerliches Gesetzbuch möglich, wenn ein bedeutsamer Grund vorliegt, etwa, wenn der Betreuer sich nicht ausreichend um seinen Klienten kümmert. Letzteres kann auf ein stark gestörtes Vertrauensverhältnis oder – bei ehrenamtlichen Betreuern – auf eine private Überlastung zurückgehen. In letzterem Fall wird das Gericht eine andere geeignete Person aus dem familiären Umfeld des Betreuten in Betracht ziehen. Insgesamt muss die Ablösung eines Betreuers allerdings gut begründet werden. Daraus folgt: Angehörige, die beruflich und familiär stark eingespannt sind, sollten sich bereits im Vorfeld gut überlegen, ob sie diese verantwortungsvolle Aufgabe übernehmen möchten oder lieber einen Berufsbetreuer kontaktieren, den sie dem Gericht vorschlagen.
Sebastian Bartels
29.09.2022