Berlin hat sich innerhalb kürzester Zeit vom Mittelfeld auf Platz 2 der Städte mit den höchsten Angebotsmieten katapultiert, wie eine aktuelle Analyse des Internetportals immowelt zeigt. Der Berliner Mieterverein fordert eine Mietsenkungsoffensive. Mit Neubau allein sei den explodierenden Mieten nicht beizukommen.
Es ist eine dramatische Entwicklung, die viele Wohnungssuchende am eigenen Leibe erfahren und die immowelt Anfang März mit Zahlen belegt hat. Demnach ist der Quadratmeterpreis für eine exemplarische 80 Quadratmeter große Dreizimmerwohnung (im Altbau) in Berlin seit November 2022 von 9,86 Euro nettokalt auf 12,55 Euro geklettert. Das ist ein Plus von 27 Prozent, wobei Berlin den mit Abstand höchsten Anstieg innerhalb der 14 untersuchten bundesdeutschen Großstädte verzeichnet. So sind die Mieten in München und Hannover lediglich um 4 Prozent gestiegen, in Hamburg sogar um 1 Prozent gesunken. Berlin ist nunmehr die zweitteuerste Stadt bei den Angebotsmieten, wenn auch mit einigem Abstand zum Spitzenreiter München mit 17,39 Euro.
Klar ist: Die bei immowelt inserierten Angebote – darauf beruht die Analyse – spiegeln nicht den gesamten Markt wider. Die im Schnitt günstigeren Wohnungen der landeseigenen Wohnungsunternehmen oder Genossenschaften werden nicht bei immowelt angeboten. Doch deswegen von einem „verzerrten Bild“ zu sprechen, wie es Berlins Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) tut, ist irreführend, denn auch bei den anderen Städten bleibt der kommunale Wohnungsbestand weitgehend unberücksichtigt. Im Vergleich bleibt es also dabei: Nirgendwo sonst explodieren die Mietpreise mit einer solchen Wucht wie in Berlin.
Als Gründe nennt immowelt den Zuzug, unter anderem von Ukraine-Flüchtlingen, den lahmenden Neubau und einen gewissen Nachholeffekt nach dem Mietendeckel-Aus. Dass der Bevölkerungszuwachs eine Rolle spielt, wird wohl niemand bezweifeln. Dass ausgerechnet fast zwei Jahre nach dem Scheitern des Mietendeckels besonders kräftig zugelangt wird, hält man beim Berliner Mieterverein (BMV) jedoch für wenig plausibel. „Es handelt sich einfach um generell völlig überzogene Mietforderungen, die die Eigentümer:innen nehmen können, weil der Markt es möglich macht“, erklärt BMV-Geschäftsführerin Ulrike Hamann. Ganz ähnlich sieht es die wohnungspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Es sei ein trauriger Rekord, der aber nicht überraschend kommt, so Katrin Schmidberger: „Es ist die Folge einer langen Entwicklung der unregulierten, höchstmöglichen Verwertung von Wohnraum.“
Grüne: Entwicklung kommt nicht überraschend
Und was sagen die beiden möglichen künftigen Berliner Koalitionspartner? Senator Geisel setzt in erster Linie weiter auf den Neubau, fordert aber auch eine Verschärfung der Mietpreisbremse des Bundes. Der Neubau könne sehr wohl den Mietanstieg bremsen, erklärt auch der wohnungspolitische Sprecher der CDU, Dirk Stettner. Dazu müssten mit den privaten Unternehmen Vereinbarungen über einen bestimmten Anteil preisgünstiger Wohnungen getroffen und die Förderprogramme an die gestiegenen Baukosten angepasst werden.
Für den Mieterverein zeigen die Zahlen vor allem eins: dass die mietrechtlichen Stellschrauben nicht funktionieren. Die Indexmieten schießen durch die Decke, und eine Absenkung der Kappungsgrenze für Mieterhöhungen ist längst überfällig, so BMV-Geschäftsführer Sebastian Bartels. Mietpreisbremse und der Mietwucher-Paragraf 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes liefen derzeit ins Leere und müssten dringend nachgebessert werden: „Dass Neubau für günstige Mieten sorgt, hat noch nie funktioniert.“
Birgit Leiß
Bauen bauen bauen – und trotzdem steigen die Mieten?
ZEIT online hat kürzlich eine interessante Datenanalyse vorgelegt, die zum Ergebnis kommt: Zwischen der Neubautätigkeit und den steigenden Mieten gibt es keinen statistisch signifikanten Zusammenhang. Ob eine Kommune viel oder wenig baut, hat demnach kaum Auswirkungen auf die Mietpreisentwicklung. Heilbronn beispielsweise baut ausgesprochen viel, trotzdem sind die Mieten in den vergangenen zehn Jahren um 60 Prozent gestiegen. Ein Grund: Neu gebaute Wohnungen sind fast immer teure Wohnungen. Ausgewertet wurden die Daten von 67 deutschen Großstädten.
bl
24.03.2023