Zwei Frauen müssen seit Jahren zusehen, wie ihre Wohnungen zerstört werden. Die Sängerin Ulla Meinecke und ihre Nachbarin wehren sich vehement gegen einen skrupellosen Projektentwickler. Bisher allerdings vergebens. Kann es sein, dass der haarsträubende Vorgang folgenlos bleibt?
Wasser, Schlamm und Putzstücke bedecken Fußböden und notdürftig abgedeckte Möbel, Schimmel breitet sich aus. Von den Zimmerdecken sind ganze Steine heruntergestürzt, und nur noch Holzbretter trennen die Wohnungen der Sängerin Ulla Meinecke und ihrer Nachbarin Gudrun P. von der wüsten Baustelle direkt über ihnen. Seit nahezu drei Jahren regnet es hier durch, im Dezember 2021 war das Zuhause der Frauen für unbewohnbar erklärt worden, und seit etwa einem Jahr besteht Einsturzgefahr. Wann und ob sie überhaupt zurückkehren können, ist ungewiss. Mit nur wenigen geretteten Dingen sind sie von Quartier zu Quartier gezogen: „Obdachlos fast von heute auf morgen – das mag mit Ende 20 noch abenteuerlich sein, in meinem Alter ist es bedrohlich“, sagt Ulla Meinecke.
Verursacher der Katastrophe ist der Projektentwickler Bilal Akyol, der das vom Krieg zerstörte Dachgeschoss des Gründerzeithauses von 1905 in der Kreuzbergstraße 45 (Friedrichshain-Kreuzberg) vor fünf Jahren gekauft hatte, um dort Apartmentwohnungen einzurichten. „Erst sollte es Angebote für Ausweichwohnungen geben“, erklärt Gudrun P. „Aber als eine Vereinbarung unterschriftsreif auf dem Tisch lag, hat er sich nicht mehr gemeldet.“ Dafür entfernte der Bauherr das Foliendach, das die darunter liegenden Wohnungen über Jahre vor Regen geschützt hatte. Ulla Meinecke: „Er fing einfach an zu bauen. Ohne ein Wetterdach zu errichten.“
Seitdem kämpfen die Frauen darum, dass abgedichtet, ihre Wohnungen instandgesetzt – vor allem aber, dass sie für den Verlust ihrer Einrichtung entschädigt werden.
Über 40 Jahre war die Kreuzbergstraße 45 für Ulla Meinecke das Zuhause, mehr als 15 Jahre wohnt ihre Nachbarin hier: „Feuerwehr, Polizei, Staatsanwaltschaft haben wir eingeschaltet“, erklärt Gudrun P. Aber gegen den Projektentwickler vorgegangen sei niemand. Auch der Kreuzberger Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) habe bloß die Schultern gezuckt: Nicht zuständig. Drei einstweilige Verfügungen blieben ohne Konsequenzen, und gegen eine Verfügung beim Amtsgericht Kreuzberg, der sowohl von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer des Hauses als auch vom Projektentwickler ein „Ordnungsgeld in empfindlicher Größenordnung“ fordert, hat der Bauunternehmer Widerspruch eingelegt. So müssen die beiden Frauen nun vor Gericht erscheinen und um ihr Recht kämpfen. Ulla Meinecke: „Sollte die Zerstörung von Wohnungen folgenlos bleiben? Ich begreife das nicht!“
Rosemarie Mieder
27.03.2024