Wer hat sich nicht schon mal gewünscht, Bezirkspolitiker von unsinnigen Vorhaben wie dem Fällen von Bäumen oder dem Aufstellen eines Riesenrads abzuhalten? Schon bald könnte das möglich sein. Als letztes Bundesland soll jetzt nämlich auch in der Hauptstadt der Bürgentscheid auf kommunaler Ebene eingeführt werden.
Ausgerechnet Bayern ist Vorreiter, wenn es um die direkte Beteiligung der Bürger an Entscheidungen geht. Hier gibt es die liberalste Regelung und die meisten Bürgerentscheide. In Berlin dagegen verhinderten die politischen Mehrheitsverhältnisse lange Zeit ein solches Gesetz.
Doch nachdem sich PDS und SPD im Koalitionsvertrag auf mehr direkte Demokratie verständigt hatten, machte nun das Abgeordnetenhaus den Weg frei. Alle Parteien außer der CDU stimmten kürzlich einem entsprechenden Gesetzentwurf zu, so dass die nötige Zweidrittelmehrheit für die Verfassungsänderung zu Stande kam. „Wir wollen die Bürger einladen, sich einzumischen – das ist das beste Mittel gegen Politikverdrossenheit“, sagt Peter-Rudolf-Zotl (PDS).
In Zukunft kann es also zu allen Angelegenheiten, über die die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) beschließen kann, einen Bürgerentscheid geben. Mögliche Themen sind zum Beispiel die Einführung von Parkzonen, Grünflächenumgestaltungen, Straßenumbenennungen oder Schulschließungen. Eine Liste von ausgeschlossenen Themen, wie sie manche Bundesländer eingeführt haben, soll es nicht geben.
Und so funktioniert es: Wenn drei Prozent der Wahlberechtigten eines Bezirks mit ihrer Unterschrift ein bestimmtes Begehren unterstützen, muss sich die BVV damit befassen. Stimmt sie nicht zu, kann ein Bürgerentscheid folgen. Bei einer Wahlbeteiligung von mindestens 15 Prozent entscheidet dann die einfache Mehrheit.
Bei den Bezirkspolitikern sorgt der geplante Bürgerentscheid zum Teil für erheblichen Wirbel. „Es wird zu einem Mehr an Bürokratie und zum Stimmenkauf kommen“, meint Stefanie Vogelsang (CDU), Baustadträtin und stellvertretende Bürgermeisterin in Neukölln. Sie befürchtet außerdem, dass wichtige Investitionen verhindert werden könnten. So hätten die Rudower sicher gegen das Öko-Heizkraftwerk in ihrem Stadtteil votiert. „Wir haben nun mal eine repräsentative Demokratie mit Bezirksverordneten, die dem Gemeinwohl verpflichtet sind und nicht den Interessen Einzelner“, begründet Vogelsang ihre ablehnende Haltung. Ähnliche Argumente hatte auch die Landes-CDU ins Felde geführt.
Die Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Cornelia Reinauer (PDS), sieht dagegen keine Probleme mit dem neuen Gesetz. Die Erfahrungen aus den anderen Bundesländern hätten gezeigt, dass die Bürger sehr wohl in der Lage seien, wichtige Entscheidungen verantwortlich zu treffen. Als Beispiel aus ihrem Bezirk nennt sie die Debatte um eine Wagenburg, die einem Sportplatz weichen sollte.
Der Gesetzentwurf wird demnächst im Senat und im Rat der Bürgermeister diskutiert werden. „Kleinere Änderungen sind möglich“, sagt Peter-Rudolf Zotl. Er rechnet damit, dass der Bürgerentscheid noch vor der Sommerpause beschlossen wird.
Birgit Leiß
MieterMagazin 5/05
Wagenburg oder Sportplatz: Solche Fragen können Bürger demnächst selbst entscheiden
Foto: Kerstin Zillmer
Webtipp: www.mehr- demokratie.de
(mit vielen Praxisbeispielen aus den anderen Bundesländern)
03.08.2013