Herbert Strempel staunte nicht schlecht, als er im März aus dem Urlaub zurückkehrte: Die Hausverwaltung hatte während seiner Abwesenheit sein Fahrrad samt Fahrradständer vom Hof entfernen und wegschließen lassen. Für Strempel ein „inakzeptables Vorgehen“: „Ich wohne seit mehr als 30 Jahren in diesem Haus und stelle seit Jahrzehnten mein Fahrrad im Hof ab. Bisher gab es deswegen noch nie Ärger“, so der Mieter. Vor fast 20 Jahren hat Strempel nach Absprache mit der Hausverwaltung sogar auf eigene Kosten drei Ständer für je fünf Fahrräder im Hof aufgestellt, damit die Bewohner ihre Räder „geordnet“ unterbringen können.
Dass die Hausverwaltung Strempels Fahrrad jetzt weggesperrt hat, ist der vorläufige Höhepunkt einer Monate währenden Auseinandersetzung zwischen dem 66-jährigen Mieter und der Hausverwaltung. Der Streit begann im Herbst vergangenen Jahres. In einem Schreiben teilte die Verwaltung den Bewohnern des Hauses in der Niebuhrstraße in Charlottenburg am 1. November 2004 mit, dass „Fahrräder grundsätzlich im eigenen Keller oder auf der Straße abzustellen sind, aber nicht auf dem Hof, im Hausdurchgang, dem Treppenhaus oder in den Kellergängen“. Und weiter: „Wir führen daher ein Genehmigungsverfahren ein. Nur noch das kurzfristige Abstellen Ihres Fahrrads auf dem Hof, soweit der Platz reicht, können wir Ihnen gestatten. Bitte teilen Sie mit, ob Sie für diesen Zweck einen Fahrradstellplatz benötigen. Wir werden Ihnen dann eine Vignette zusenden, die Sie auf Ihrem Fahrrad aufkleben. Fahrräder ohne dieses Kennzeichen werden kostenpflichtig vom Hauswart entfernt.“ Er weigere sich, eine solche Vignette zu beantragen, so Strempel. Sein Fahrrad über eine „gewundene Treppe“ in seinen Keller zu schleppen, empfindet er als „Zumutung“.
„Während der Fahrradsaison standen bei uns manchmal mehr als 40 Fahrräder auf dem Hof, in den Hausfluren und vor den Durchgängen. Das versperrte den Mietern oft den Weg und sah auch unordentlich aus“, sagt Hausverwalter Klaus-Dieter Schatz. Für eine solch große Anzahl von Rädern sei der Hof zu klein. Die meisten Mieter würden ihre Fahrräder nach seiner mehrmaligen Aufforderung mittlerweile in ihren Kellern abstellen, so Schatz. „Viele Mieter begrüßen es, dass jetzt nicht mehr so viele Räder im Hof herumstehen.“ Für die elf verfügbaren Fahrradstellplätze habe er die Vignetten inzwischen „kostenfrei“ ausgegeben.
Konflikte zwischen Mietern und Vermietern über das Abstellen von Fahrrädern im Hinterhof sind keine Einzelfälle. Meist werden sie allerdings gütlich gelöst. „Generell muss den Mietern die Möglichkeit gegeben werden, ihr Fahrrad im Haus oder auf dem Grundstück unterzustellen“, erläutert Volker Hegemann, Rechtsberater beim Berliner Mieterverein (BMV). „Ob man sein Fahrrad im Hinterhof abstellen darf oder in den Keller schleppen muss, ist eine Frage des Einzelfalls und der Zumutbarkeit“, sagt Hegemann. „Einem 20-Jährigen sollte es zuzumuten sein, sein Fahrrad in den Keller zu schaffen, einem 70-Jährigen jedoch eher nicht.“
Rechtsprechung uneinheitlich
Die Gerichte entschieden in vergleichbaren Fällen in den vergangenen Jahren uneinheitlich. Das Landgericht Berlin beispielsweise fällte das Urteil, dass „kein Anspruch des Mieters auf Gestattung des Abstellens seines Fahrrades auf dem Hof ohne vertragliche Absprache“ bestehe (64/63 a S 2/83). Das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg hingegen entschied im vergangenen Jahr, dass „das Abstellen von Fahrrädern auf dem Grundstück vom Vermieter nur dann verboten werden könne, wenn dies zur Einschränkung des vertragsgemäßen Gebrauches anderer Mieter führt“ (207 C 215/04).
Volker Wartmann
MieterMagazin 5/05
Für Herbert Strempel eine „inakzeptable Zumutung“: Seine Hausverwaltung führte eine Parkvignettenpflicht für Fahrräder ein
Foto: Volker Wartmann
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Schrott auf zwei Rädern
Ein Ärgernis nicht nur für den Vermieter, sondern vor allem für die aktiven Fahrradfahrer unter den Mietern sind Schrottfahrräder, die in vielen Höfen einen häufig großen Teil der Fahrradstellplätze blockieren. „Wenn ein Fahrrad über Monate erkennbar nicht benutzt wird und auf dem Hof langsam aber sicher vergammelt, darf der Vermieter es als Sperrmüll entsorgen“, so BMV-Rechtsberater Volker Hegemann. „Allerdings muss er ein solches Vorhaben vorher schriftlich ankündigen, damit ein Mieter die Chance hat, sein Fahrrad selber zu entfernen oder es eventuell wieder fit zu machen.“
vw
03.08.2013