Mitte Februar geriet die Leipziger Strombörse EEX in die Schlagzeilen. Eine anonyme E-Mail mit den Daten sämtlicher Stromgeschäfte an der Börse zwischen März 2005 und Dezember 2006 war an diverse Adressaten gegangen. Die großen Stromkonzerne manipulieren die Preise, so der Vorwurf.
Von einem gezielten Angriff spricht EEX-Sprecherin Katrin Berken. „Es werden falsche Aussagen zur Transparenzpolitik sowie irreführende Angaben über Handelsgeschäfte gemacht.“ Die in der E-Mail genannten Daten selbst seien jedoch korrekt.
Durch den Vorfall ist die Preisbildung an der Strombörse ins öffentliche Interesse gerückt. Die funktioniert nach den üblichen Börsenregeln: Der Preis berechnet sich nach Angebot und Nachfrage. Problematisch ist, dass an der EEX nur etwa ein Zehntel der deutschen Stromkapazität gehandelt wird, der hier festgelegte Preis jedoch für den gesamten Strommarkt gilt. Somit kann der Börsenpreis schon durch den Kauf relativ kleiner Mengen beeinflusst werden.
Der Staatsanwalt ermittelt
Besagte E-Mail bestärkt Kritiker darin, dass die vier Stromkonzerne Vattenfall, Eon, RWE und EnBW ihre marktbeherrschende Stellung bewusst ausnutzen, um durch eine künstliche Verknappung des Angebots den Strompreis in die Höhe zu treiben. Aufgrund genau dieses Verdachts ermittelt bereits seit letztem Jahr die EU-Kommission gegen deutsche Energiekonzerne. Im Dezember ließ sie Büros von Eon, RWE und EnBW durchsuchen. Nun hat sich auch die Leipziger Staatsanwaltschaft eingeschaltet.
Der Verfasser der anonymen E-Mail begründet nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins Der Spiegel seine Vorwürfe so: Deutsche Stromerzeuger hätten 2006 rund zehn Prozent mehr Strom produziert als verbraucht worden sei. Das hätte eigentlich den Verkauf der überschüssigen Kapazitäten an der EEX zur Folge haben müssen. Hatte es aber nicht. Stattdessen trat zum Beispiel RWE in diesem Zeitraum als größter Käufer an der Leipziger Börse in Erscheinung. Die Vermutung drängt sich auf, dass der Konzern das Angebot künstlich verknappen wollte.
Die Stromriesen weisen die Vorwürfe naturgemäß weit von sich. „RWE trickst nicht und täuscht nicht“, stellt etwa RWE-Konzernchef Harry Roels klar. Auffällig ist jedoch, dass der Strompreis in den letzten zwei Jahren tatsächlich stark angezogen hat – obwohl die Erzeugungskosten gleichzeitig nur mäßig in die Höhe gegangen sind und die großen Stromkonzerne zudem satte Gewinne einstreichen konnten.
Die Preispolitik der Stromerzeuger sei Freibeuterei zu Lasten der Verbraucher, kritisiert deshalb auch Aribert Peters vom Bund der Energieverbraucher. Nach Berechnungen der Verbraucherorganisation zahlen Privathaushalte und Industrieunternehmen wegen der überteuerten Handelspreise an der Strombörse für jede Kilowattstunde Strom drei Cent zu viel. Hinzu kämen zwei Cent aufgrund überhöhter Netzentgelte. Schärfere Gesetze fordert deshalb Hessens Wirtschaftsminister Alois Rhiel. Den Wettbewerbsbeschränkungen am Strommarkt müsse ein Ende bereitet werden. „Notfalls muss der Staat das Preistreiber-Quartett der Stromerzeuger auflösen können.“
Der Verband der Elektrizitätswirtschaft (VDEW) warnt hingegen vor staatlichen Eingriffen. „Wer beispielsweise mit der Einführung von Preisobergrenzen in der Stromerzeugung mehr Wettbewerb erreichen möchte, würde genau das Gegenteil bewirken. Investoren würden abgeschreckt, das gesamte Marktsystem würde damit aufs Spiel gesetzt“, so Verbandshauptgeschäftsführer Eberhard Meller. Zudem seien hohe Preise an der Strombörse kein Beleg für eine Manipulation des Marktes. „Die EEX in Leipzig ist einer der am besten überwachten Börsenplätze in Europa. In keinem einzigen Fall wurde dort von den zuständigen Behörden missbräuchliches Verhalten festgestellt.“ Die Börse selbst hat Strafanzeige gegen den E-Mail-Versender gestellt.
Kristina Simons
MieterMagazin 5/07
Wurde an den Kursen der Strombörse „gedreht“?
Foto: EEX
Die Strombörse
Die Strombörse – eigentlich European Energy Exchange (EEX) – wurde im Jahr 2000 im Zuge der Liberalisierung des europäischen Strommarktes gegründet. Sie dient als organisierter Marktplatz, der nun auch europäischen Marktteilnehmern den freien Handel mit Energie ermöglicht. Nach eigenen Angaben ist die EEX hinsichtlich des Handelsvolumens und mit 158 Handelsteilnehmern aus 19 Ländern die größte Energiebörse in Europa. In immer mehr europäischen Ländern gibt es Strombörsen. Vorreiter war Skandinavien, wo durch die frühe Liberalisierung des Energiemarktes bereits 1993 die Börse „Nord Pool“ gegründet wurde.
ks
17.07.2013