Zum fünften Mal in Folge hat Berlin im vergangenen Jahr die Feinstaubgrenzwerte der Europäischen Union überschritten. 26 Prozent des Feinstaubs in der Stadt kommen vom Verkehr – davon circa 40 Prozent von Pkw und 60 Prozent von Lkw. Ab 1. Januar 2008 soll eine etwa 88 Quadratkilometer große sogenannte Umweltzone in der Berliner City dazu beitragen, die Emissionen zu verringern. Doch die Verordnung lässt manche Fragen offen – und erlaubt jede Menge Ausnahmen.
Am 1. März 2007 ist bundesweit die Verordnung zum Erlass und zur Änderung von Vorschriften über die Kennzeichnung emissionsarmer Kraftfahrzeuge (35. BImSchV, kurz „Plakettenverordnung“) in Kraft getreten. Sie ermöglicht den Kommunen die Einrichtung von Umweltzonen. In diese dürfen dann nur noch Fahrzeuge mit gelber, grüner oder roter Plakette, ab 1. Januar 2010, wenn die zweite Stufe in Kraft tritt, nur noch Fahrzeuge mit grüner Plakette.
Die Plaketten gelten bundesweit und zeitlich unbegrenzt und sind gut sichtbar an der Innenseite der Windschutzscheibe zu befestigen. In Berlin werden sie bereits verkauft, sie kosten in den Kfz-Zulassungsstellen 5 Euro. Dekra, TÜV und die Werkstätten für Abgasuntersuchung (ASU-Prüfung) legen die Preise selbst fest. Die Verordnung tritt in Berlin am 1. Januar 2008 in Kraft. Andere Städte sind schneller: Stuttgart plant die Einführung einer Umweltzone zum 1. Juli, München und Köln zum 1. Oktober, Mannheim zum 1. November 2007.
Zurzeit sind in Berlin etwa 1,4 Millionen Fahrzeuge zugelassen. Etwa 100.000 davon – 70.000 Pkw und 30.000 Lkw – dürfen nach jetziger Rechtslage im nächsten Jahr nicht mehr in die Innenstadt. Hinzu kommen etwa 100.000 Benzinfahrzeuge mit geregeltem Dreiwegekatalysator, dem sogenannten G-Kat, die vom Gesetzgeber schlichtweg vergessen wurden – ein Indiz dafür, dass das Gesetz mit „heißer Nadel“ gestrickt wurde. Noch im Mai soll der Bundesrat eine entsprechende Korrektur beschließen.
Ohne Plakette am Auto wird es teuer
Fahrern ohne Plakette am Auto drohen in der Umweltzone ein Bußgeld von circa 40 Euro und ein Punkt in Flensburg. Die Berliner Polizei wird die Einhaltung der Fahrverbote kontrollieren – zum Teil wohl sogar mit Fahrzeugen ohne Plakette, denn für Polizeifahrzeuge gelten die Fahrverbote nicht.
Am 20. März 2007 einigte sich der Berliner Senat auf eine Reihe von Ausnahmeregelungen, die über die bundesweit geltenden Ausnahmen (siehe Kasten) weit hinausgehen. So dürfen Oldtimer – das sind Fahrzeuge, die mindestens 30 Jahre alt sind – pro Jahr maximal 700 Kilometer (ab 1. Januar 2010: 500 Kilometer) in der Umweltzone fahren. Für den Nachweis ist ein Fahrtenbuch zu führen. Kräne, Zugmaschinen von Schaustellern, Schwerlasttransporter und andere Spezialfahrzeuge mit hohen Anschaffungskosten können eine dreijährige Ausnahmegenehmigung beantragen. Halter von Firmenfahrzeugen (in bestimmten Härtefällen) und veralteten Pkw, die technisch und wirtschaftlich nicht mehr nachzurüsten sind, können eine auf 18 Monate begrenzte Ausnahmegenehmigung erhalten. Ausnahmen gibt es des Weiteren für historische Busse und Trabis, die für Stadtrundfahrten genutzt werden.
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung arbeitet zurzeit an einem „Leitfaden für die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen“. Auf dieser Grundlage sollen dann auch die Straßenverkehrsbehörden der Bezirke nach Einzelfallprüfung Ausnahmegenehmigungen erteilen dürfen. Irgendwann, befürchten Umweltschützer, wird wohl die Ausnahme die Regel sein und nahezu jedes Fahrzeug wieder in die City fahren dürfen.
Ausnahmeregelungen für ausländische Berlin-Besucher wird es dagegen nicht geben – plakettenlose Fahrzeuge aus dem Ausland müssen draußen bleiben.
Rainer Bratfisch
Die Ausnahmen
Bundesweite Ausnahmeregelungen von den Fahrverboten bestehen unter anderem für
- mobile Maschinen und Geräte,
- Arbeitsmaschinen,
- land- und forstwirtschaftliche Zugmaschinen,
- zwei- und dreirädrige Kraftfahrzeuge,
- Krankenwagen, Arztwagen mit entsprechender Kennzeichnung im Einsatz,
- Kraftfahrzeuge, mit denen Personen fahren oder gefahren werden, die außergewöhnlich gehbehindert, hilflos oder blind sind (Zeichen „aG“, „H“ oder „Bl“ im Schwerbehindertenausweis),
- Fahrzeuge der Bundeswehr, der Bundespolizei, der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes, der Polizei und des Zolldienstes, soweit das zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist.
MieterMagazin 5/07
Wer am 1. Januar 2008 keine Plakette hat, muss aus der Innenstadt draußen bleiben
Foto: Rolf Schulten
Weitere Informationen:
www.dekra.de
www.tuev-sued.de
www.adac.de
01.11.2023