In vielen innerstädtischen Quartieren sind Immobilien- und Finanzinvestoren auf Einkaufstour. In Moabit, Kreuzberg und Neukölln sammeln Bürger nun Informationen über die Eigentümerstruktur ihrer Stadtteile.
Der Osten Moabits geriet nach dem Bau des neuen Hauptbahnhofs verstärkt ins Blickfeld von Immobilienaufkäufern. In der Lehrter Straße sind zum Beispiel ganze Wohnkomplexe an verschiedene luxemburgische Investoren veräußert worden. Nachforschungen von engagierten Anwohnern haben ergeben, dass die Gesellschaften alle unter derselben Adresse firmieren.
Dieses Aha-Erlebnis war dem Bürgerverein „Für eine billige Prachtstraße – Lehrter Straße“ Anlass, im Februar die Initiative „Wem gehört Moabit?“ zu starten. Alle Bewohner des Moabiter Ostens zwischen Lehrter und Stromstraße sind aufgerufen, der Initiative per E-Mail mitzuteilen, wer seit wann Eigentümer des Hauses ist, in dem sie wohnen. Auch von Interesse sind die früheren Besitzer, anstehende Verkäufe und ob es Probleme mit der Verwaltung des Gebäudes gibt. Die gesammelten Informationen über die Eigentümerstruktur sollen anonymisiert und unter Beachtung des Datenschutzes öffentlich zugänglich gemacht werden. „Personennamen von Eigentümern werden wir nicht nennen“, versichert Jürgen Sch. von der Initiative.
Schon seit einem Jahr sammelt die „Mieten-AG“ im Kreuzberger Graefekiez Daten. „Wohnungen werden im großen Stil in Eigentumswohnungen umgewandelt“, hat Martin Breger von der Mieten-AG beobachtet. Im Graefekiez gibt es noch eine kleinteilige Eigentümerstruktur, doch unter anderen kauft hier ein dänisches Unternehmen immer mehr Häuser auf. „Wir wollen die Eigentumsverhältnisse langfristig beobachten“, sagt Martin Breger. Beabsichtigt ist auch, auf die Einzeleigentümer Einfluss zu nehmen, damit sie nicht an die Fondsgesellschaften verkaufen.
Eine ähnliche Umfrage wurde auch im Neuköllner Schillerkiez begonnen.
Neue Eigentümer versuchen meist, mehr Rendite aus den Häusern herauszuholen, etwa durch Mieterhöhungen, teure Modernisierungsmaßnahmen oder Einsparungen in der Instandhaltung. Wenn viele Mieter auf diese Weise verdrängt werden, bricht der soziale Zusammenhalt im Stadtteil auseinander.
Bislang ist bei allen drei Initiativen der Rücklauf noch gering. Es müssten viele Anwohner mitmachen, um belastbare Zahlen und gute Argumente in die Hände zu bekommen.
Stadtteilbezogene Daten über die Dynamik auf dem Immobilienmarkt sind anders kaum erhältlich. Die Pankower SPD-Fraktion hat es auf offiziellem Wege versucht. Doch ihr Antrag, das Bezirksamt solle die Besitzverhältnisse in den Sanierungsgebieten von Prenzlauer Berg kartieren, wurde im März von der Bezirksverordnetenversammlung abgelehnt.
Jens Sethmann
MieterMagazin 5/10
Wo neue Investoren mit hohen Renditeerwartungen auftauchen, ist es Schluss mit der Gemütlichkeit
Foto: Jens Sethmann
27.11.2016