Noch vor zehn Jahren war die sogenannte Mietschuldenfreiheitsbescheinigung nahezu unbekannt. Heute geben fast alle Vermieter bei einer Wohnungsbewerbung an, nicht darauf verzichten zu können. Das gilt sogar für städtische Wohnungsbaugesellschaften.
In Form der Mietschuldenfreiheitsbescheinigung verlangen Vermieter von einem Wohnungsbewerber den Nachweis, dass er keine Schulden bei seinem Vorvermieter hat. Ob städtische Wohnungsunternehmen wie Degewo und Gewobag oder Genossenschaften, fast alle wollen die Bescheinigung. Dabei hat der Bundesgerichtshof (BGH) im September 2009 entschieden, dass Vermieter nicht verpflichtet sind, ihren ausziehenden Mietern eine solche Bescheinigung auszustellen (Aktenzeichen VIII ZR 238/08).
Dass nun ausgerechnet die städtischen Unternehmen nach wie vor auf Vorlage der Bescheinigung bestehen, ist mehr als verwunderlich. „Niemand wird abgelehnt, nur weil er keine Bescheinigung vorlegen kann“, sagt dazu Mathias Gille, Sprecher der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Dazu seien die städtischen Wohnungsunternehmen angehalten. „Wir entscheiden immer nach dem Einzelfall“, bestätigt die Degewo. „Pünktliche Mietzahlungen können auch auf andere Weise nachgewiesen werden, etwa durch Vorlage der Kontoauszüge“, so Degewo-Sprecher Michael Zarth.
„Viele Mieter haben den Eindruck, dass sich eine Bewerbung gar nicht erst lohnt, wenn von vornherein eine Mietschuldenfreiheitsbescheinigung verlangt wird“, meint BMV-Geschäftsführer Reiner Wild. Dass im Einzelfall auch darauf verzichtet werden kann, sei zu wenig bekannt. Beim Mieterverein weiß man, dass viele Mieter keine Bescheinigung vorlegen können – sei es, weil der Ex-Vermieter das einfach ablehnt oder weil der Mieter zuvor berechtigte Ansprüche geltend gemacht hat, die der Vermieter nun als Mietschulden betrachtet. So war es auch bei dem eingangs erwähnten BMV-Mitglied. Der Mieterin wurde die Bescheinigung verweigert, weil sie wegen Heizungsmängeln eine Mietminderung vorgenommen hatte. Erst als sie sich auf einen „Tauschhandel“ einließ und einen Teil bezahlte, war der Vermieter zur Ausstellung der Bescheinigung bereit.
Birgit Leiß
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MieterMagazin 5/10
Pünktliche Mietzahlungen können auch anhand von Kontoauszügen dokumentiert werden
Foto: Christian Muhrbeck
29.06.2017