Während sich inzwischen der Frühling durchgesetzt hat, macht sich Umweltsenatorin Katrin Lompscher (Die Linke) Gedanken zu den eisigen Tatsachen, die die Schneefälle des vergangenen Winters geschaffen haben: wochenlang glättebedingt unpassierbare Gehsteige mit der Folge, dass sich ältere und behinderte Menschen nicht mehr aus dem Haus trauten. Wie sich für künftig ähnliche Winter rüsten?
„Waren sie bei euch schon?“ – Der berlinweite Konversationsrenner war die Frage nach dem Einsatz der zusätzlichen Straßenreinigungskräfte der Berliner Stadtreinigung (BSR), die den Dreck beseitigten, den die abtauende Schneedecke im März zum Vorschein gebracht hatte. Neben Silvesterböllern und Hundekot waren dies nach Schätzungen der BSR auch mehr als 25.000 Tonnen Granulat – im Vergleich zu 7000 Tonnen im Vorjahr. Rund 50 Millionen Euro kosten den Berliner Senat die Folgen des vergangenen Winters: vom verdoppelten Aufwand bei der Schneeräumung über die anschließenden Säuberungsarbeiten bis hin zur Schlaglochbeseitigung auf den Straßen.
Mit 73 Zentimetern Schnee brachte der Winter den Berlinern die höchste Schneedecke seit den 50er Jahren – eine Extremwitterung, die es zumindest in der Planung zu berücksichtigen gilt, will man das Glatteis-Chaos der vergangenen Monate zukünftig vermeiden. Während die BSR es immerhin schaffte, größere Straßen weitestgehend eisfrei zu halten, geriet der kurze Gang zu Fuß zum russischen Roulette. Die Berliner Krankenhäuser vermeldeten die Rekordzahl von rund 32.500 Unfalleingängen infolge von Stürzen auf Glatteis, drei Glatteistote gab es gar zu beklagen. Doch wer hatte Schuld an der Misere?
Theoretisch sind die „Anlieger“, also die Grundeigentümer, in der Pflicht, die Gehwege vor und zu ihren Liegenschaften auf einer Breite von einem Meter glättefrei zu halten. Paragraf 6 Abs. 1 des Straßenreinigungsgesetzes (StrReinG) erlaubt jedoch die Übertragung dieser Streupflicht auf Dritte, also zum Beispiel auf gewerbliche Schneeräumfirmen. Die Kosten hierfür können in Mietobjekten vom Hauseigentümer in der jährlichen Betriebskostenabrechnung auf die Mieter umgelegt werden. Die Umweltverwaltung weiß von 135.000 Eigentümern (Gesamtzahl: 280.000), die von dieser Möglichkeit im Winter 2009/2010 Gebrauch gemacht hätten. Das Straßenreinigungsgesetz schreibt vor, dass die Pflichtübertragung der zuständigen Behörde anzuzeigen ist – für ganz Berlin zuständig: das Bezirksamt Lichtenberg. Der Hauseigentümer ist mit dieser schriftlichen Anzeige von jeglicher Verantwortung für den Winterdienst frei – ob er nun ausgeführt wird oder nicht – und hat den Räumeinsatz im Voraus zu bezahlen. Unter Umständen haben die Mieter hier also das doppelte Nachsehen: Sie müssen für die Schnee- und Eisbeseitigung auch bei deren Nichtausführung zahlen und die Rutschpartie gibt es gratis dazu. Im Zweifel muss im Streit über die Betriebskosten der Beweis der Nichtausführung des Winterdienstes erst einmal erbracht werden.
Besser gerüstet in den nächsten Winter?
Eine Novelle des Berliner Straßenreinigungsgesetzes, die von der Umweltverwaltung derzeit vorbereitet wird, soll Abhilfe schaffen. Erste Vorschläge beinhalten die Vereinfachung von Zuständigkeiten, eine größere Verantwortlichkeit der Hauseigentümer und die Überlegung, den Begriff der „Glättebekämpfung“, also ein bloßes Abstreuen von Eisflächen mit Granulat, durch eine Schneeräum- und Beseitigungspflicht auch für Eisbildung zu ersetzen. Letzteres wäre dann gleichbedeutend mit dem Freischlagen der Gehwege mithilfe von Eispickeln oder Schaufeln, was allerdings die latente Gefahr in sich birgt, die Gehwegoberflächen in Mitleidenschaft zu ziehen. Die für das Eispickeln entstehenden Mehrkosten hätten zudem wieder die Mieter zu tragen.
Die Senatsverwaltung für Umwelt sei derzeit „bestrebt, die Vorlage“ für eine Gesetzesnovelle „so schnell wie möglich ins parlamentarische Verfahren zu bringen“, so deren Pressesprecherin Dr. Marie-Luise Dittmar.
Elke Koepping
MieterMagazin 5/10
Der letzte Winter: Schnee und Eis,
wie seit 50 Jahren nicht mehr in Berlin
Foto: Christian Muhrbeck
Rat und Tat
Wie Verstöße kontrollieren?
Eine Erhebung des Berliner Innensenators im Februar wies berlinweit rund 7000 Verstöße gegen die Streupflicht durch die Berliner Ordnungsämter aus. Dem gegenüber stehen jedoch nur rund 500 unmittelbar versandte Bußgeldbescheide und die Anordnung von 700 Ersatzvornahmen. In über 3000 Fällen musste zunächst geklärt werden, wer überhaupt räumpflichtig war. Die Berliner Sonderregelung bei der Übertragung der Räumpflicht an private Schneeräumunternehmen birgt ein massives Problem bei der Ahndung von Verstößen: Die Ordnungsämter vor Ort wissen im Zweifel nicht, ob ein Anlieger seine Räumverpflichtung abgegeben hat oder nicht. Eine Lösung des Problems wäre die Anbringung von genauen Informationen über die Zuständigkeiten in den Treppenhäusern. Das würde auch für Mieter mehr Transparenz mit sich bringen.
ek
26.10.2017