Die Stadt Dresden hat das Wohnungsunternehmen Gagfah verklagt, weil sie ihm Verstöße gegen den Verkaufsvertrag der vormals städtischen Wohnungen vorwirft. Außerhalb Dresdens verließ sich der Bund bei der Kontrolle der Gagfah-Mieterschutzregelungen bislang auf die Angaben der Gagfah.
Im Jahr 2006 hatte die Stadt Dresden ihre Wohnungsbaugesellschaft Woba mit 48 000 Wohnungen an den US-Finanzinvestor Fortress verkauft. Diese sogenannte Heuschrecke gliederte die Woba in das zwei Jahre zuvor von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) erworbene Wohnungsunternehmen Gagfah ein.
Zum Schutz der Dresdner Mieter wurde eine „Sozialcharta“ aufgestellt. Danach ist die Gagfah unter anderem verpflichtet, bei Wohnungsverkäufen die Wohnungen den Mietern verbilligt anzubieten.
Nach Überzeugung der Dresdner Stadtverwaltung hat die Gagfah aber bei Verkäufen ganzer Häuser diese Anbietpflicht nicht an die Käufer weitergegeben, und zwar „in einer Vielzahl von Verkaufsfällen“. Die Stadt reichte am 31. März dieses Jahres Klage ein. Die Vertragsstrafe könnte sich verschiedenen Schätzungen zufolge auf bis zu 50 Millionen Euro belaufen.
Als Fortress 2004 die Gagfah von der bundeseigenen BfA kaufte, wurde eine ähnliche Sozialcharta aufgestellt. Zuständig für die Kontrolle ist die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) als Nachfolgerin der BfA. Verstöße sind der DRV nicht bekannt geworden. Sie verließ sich jedoch bislang auf die Berichte der Gagfah selbst. „Da bis heute kein konkreter Fall einer Verletzung dieser Verpflichtungen an die DRV Bund herangetragen wurde, sahen wir uns bislang nicht veranlasst, eine zusätzliche Überprüfung vorzunehmen“, erklärt DRV-Sprecher Dirk von der Heide.
Die Frage, wie die Einhaltung der Mieterschutzbestimmungen überwacht wird, versucht Daniela Wagner, wohnungspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, mit einer Kleinen Anfrage zu klären. Weil die Gagfah eine rege An- und Verkaufstätigkeit betreibt, ist es von außen kaum noch nachvollziehbar, welche Sozialcharta für welche Wohnung gilt.
Die Gagfah hatte 2004 rund 81 000 Wohnungen. Heute sind es 165000, davon über 26000 in Berlin. Das Unternehmen wurde nach Luxemburg verlegt, in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und 2006 an die Börse gebracht. Seither ist die Gagfah das größte börsennotierte Wohnungsunternehmen in Deutschland.
Jens Sethmann
MieterMagazin 5/11
Wenn die Gagfah Mieterschutz- bestimmungen verletzt hat, drohen Schadenersatzklagen nicht nur in Dresden
Foto: Christian Muhrbeck
26.03.2013