Buschwerk, eine besprühte Ruine – die Fotos vom Gelände des einstigen Anhalter Güterbahnhofs sind bewusst noch einmal neben den Architekturzeichnungen und stadtplanerischen Entwürfen ins Foyer des Kreuzberger Rathauses gehängt worden. Sie dokumentieren nicht nur den Ausgangspunkt für ein bemerkenswertes Bauunternehmen, sie zeugen auch vom Stolz der Initiatoren des „Projektes Möckernkiez“.
Zwischen Kreuzberg, Schöneberg und Tiergarten entsteht baugenossenschaftlich organisiert ein Quartier mit fast 400 Wohnungen, mit Gewerbeflächen und Gemeinschaftseinrichtungen für alle Kiezbewohner. Der attraktive Standort will nicht nur dauerhaft sicheres und preiswertes Wohnen garantieren, sondern soll auch generationenübergreifend, interkulturell, barrierefrei, ökologisch und mit dem Einsatz erneuerbarer Energien realisiert werden.
„Träume von solchen Wohnstandorten gibt es immer wieder“, sagt Constance Cremer, Architektin und städtebauliche Beraterin der Netzwerkagentur, die das Projekt begleitet und berät. Aber von der Idee bis zum ersten Spatenstich schaffen es längst nicht alle. Zuerst einmal braucht es Bauland, um solche Wünsche realisieren zu können. Den Initiatoren des Möckernkiez-Projekts lag die drei Hektar große Brache buchstäblich vor der Nase. Mit Unterstützung des Bezirks fragten sie beim Eigentümer nach – und stießen auf Interesse. „Die Möckernkiez-Baugemeinschaft ist nicht nur mit ihrer Größe, sondern auch mit ihren vielfältigen Ansprüchen etwas Einzigartiges“, urteilt Constance Cremer. Aber daneben agieren in Berlin noch viele andere genossenschaftliche Initiativen. Unter anderem gab es in den zurückliegenden zehn Jahren auch einige Neugründungen: etwa die „Leuchtturm eG“, die in Prenzlauer Berg baute und dort gemeinschaftlich in einem Haus in der Pappelallee wohnt oder die „genowo eG“, die derzeit in Kreuzberg 36 auf einem Erbbaugrundstück in der Lausitzer Straße 38 ein zweites Projekt errichtet.
Mehr als Bauen und Verwalten
„Wenn Laien sich zu Baugruppen zusammenschließen wollen, braucht es professionelle Begleitung“, meint Constance Cremer. Die Initiatoren des Möckernkiezes sahen das auch so und verloren keine Zeit. Sie schufen sich eine Struktur, die ihnen viele Handlungsmöglichkeiten bot: Eine Initiative knüpfte Kooperationskontakte zu allen wichtigen bezirklichen Einrichtungen. Die Genossenschaft ist fürs Bauen und Verwalten zuständig und ein Verein soll das künftige soziale und kulturelle Miteinander koordinieren. Mit den Einlagen der inzwischen fast 700 Genossenschaftsmitglieder kaufte man das Areal und schrieb einen Architektenwettbewerb aus. 70 Büros meldeten ihr Interesse an, neun ausgewählte Entwürfe konnten nun im Rathaus präsentiert werden. Läuft alles weiter nach Plan, rollen bald die ersten Baumaschinen an.
Rosemarie Mieder
MieterMagazin 5/11
Illustration: Projekt Möckernkiez
Wo heute noch eine grüne Brache ist (unten), wird demnächst diese Idee einer kleinen genossenschaftlichen Öko-Siedlung (oben) realisiert werden
Foto: Christian Muhrbeck
Zum Thema
Was sind eigentlich Baugruppen?
Baugruppen sind Zusammenschlüsse von Bauherren, die gemeinsam Häuser bauen oder sanieren, um später darin zu wohnen. Das besondere: Es gibt keinen Bauträger, die Gemeinschaft verwirklicht ihr Vorhaben selbst.
In Berlin gab es in den zurückliegenden zehn Jahren etwa 200 bis 250 solcher Baugruppen. Fünf bis zehn Prozent von ihnen waren beziehungsweise sind genossenschaftlich organisiert.
Das Land Berlin stellt in jedem Jahr fünf Flächen aus dem Liegenschaftsfonds zur Verfügung, um die sich Baugruppen in einem Festpreisverfahren bewerben können. Beratung finden sie unter anderem bei der Netzwerkagentur.
www.netzwerk-generationen.de
Weitere Infos im Internet:
www.moeckernkiez.de
www.genowo.de
20.09.2021