Das Sozialgericht Berlin hat in einem Urteil die Berechnung der Wohnkostenübernahme bei ALG-II-Beziehern grundsätzlich in Frage gestellt. Das Gericht bestätigt damit weitgehend die Kritik, die der Berliner Mieterverein an der Wohnaufwendungenverordnung (WAV) geübt hat. Die Senatsverwaltung für Soziales hält aber an der Verordnung fest und geht in die Berufung.
Ein Arbeitslosengeld-II-Bezieher hat vor dem Sozialgericht Berlin erfolgreich eingeklagt, dass das Jobcenter die tatsächlichen Unterkunfts- und Heizkosten übernehmen und auch eine ausstehende Heizkostennachforderung zahlen muss. Das Gericht sprach damit auch ein vernichtendes Urteil gegen die Berechnung der zu übernehmenden Wohnkosten: „Die in der WAV zugrunde gelegten Werte für Wohnungen bis 50 Quadratmeter sind weder hinsichtlich der Kaltmiete noch der kalten Betriebskosten schlüssig“, heißt es im Urteil. Die jetzigen Berechnungsregeln führen dazu, dass die Ämter nicht die tatsächlichen Wohnkosten der ALG-II-Haushalte übernehmen. „Die Werte sind ohne Substanz“, so das Sozialgericht.
Das Urteil gibt dem Standpunkt des Berliner Mietervereins, der beim Erlass der WAV Kritik anmeldete, in vielen Punkten recht. Die Verordnung trat vor einem Jahr in Kraft und regelt die Erstattung der Unterkunftskosten für 304.000 Berliner Bedarfsgemeinschaften. Der Senat hat sie damals als Erfolg gewertet. Sozialsenator Mario Czaja (CDU) kündigte darum jetzt an, gegen das Urteil des Sozialgerichts in Berufung zu gehen und an der WAV festzuhalten. Das Urteil ist deshalb noch nicht rechtskräftig.
Czajas Vorgehen ruft bei der Opposition Kritik hervor: „Mit seiner Ankündigung, die Verordnung bis vor das Bundessozialgericht zu bringen, betreibt der Senator Politik auf Kosten von Betroffenen“, kritisieren die Grünen-Abgeordneten Katrin Schmidberger und Martin Beck. Die Linken-Sozialpolitikerin Elke Breitenbach erklärt: „Wir fordern den Senat auf, die Richtwerte endlich den Realitäten auf dem Wohnungsmarkt anzupassen.“
Jens Sethmann
MieterMagazin 5/13
Bis Klarheit über die ALG-II-Wohnkosten herrscht, ist es wohl noch ein weiter Weg durch die Gerichtsinstanzen
Foto: Sabine Münch
Sozialgericht Berlin – S 37 AS 30006/12 -,
Urteil vom 22. Februar 2013
(nicht rechtskräftig)
25.01.2016