Berlin hat ein enormes Zuwanderungsplus zu verzeichnen. Das verschafft der Metropole mehr Einwohner. Aber es gibt auch eine gegenläufige Entwicklung. Senioren und Familien verlassen die Stadt und ziehen an den Stadtrand oder ins Umland. Auch wer die steigenden Mieten in den zentralen Bezirken nicht mehr bezahlen kann, gehört zu dieser Gruppe.
Ungebrochen scheint der Run auf Berlin. Im vergangenen Jahr ist die Einwohnerzahl um 47.800 Personen gestiegen, im Jahr davor war es sogar ein Plus von rund 49.000. Dabei drängen die meisten der Neubewohner in die Innenstadtbezirke, zu allererst nach Mitte (über 8000), Pankow (circa 6600) und Friedrichshain-Kreuzberg (rund 4000).
Es sind in erster Linie die 18- bis 30-Jährigen, die die angesagten Quartiere, in die sie drängen, dann auch deutlich verjüngen. Sie kommen zu über 60 Prozent aus dem europäischen Ausland, allen voran aus Polen, Spanien, Bulgarien und Italien. Wieviele von ihnen nur ein paar Jahre und wieviele für immer bleiben, weiß man nicht. Aber dass viele Quartiere der Innenstadt mit ihrer Szene, den lauten Straßen und der zunehmend verdichteten Bebauung für viele Ältere und auch für größer werdende Familien kein idealer Standort mehr sind, zeigt die Wanderung über den Rand der Metropole hinaus ins Brandenburger Umland. In der Gruppe der 30- bis 45-Jährigen registrierten die Statistiker im Jahr 2012 über 1500 Fortzüge aus der Hauptstadt, bei den bis 65-Jährigen waren es fast 2000.
„Wanderungsmuster ändern sich nicht über Nacht“, erklärt Armin Hentschel vom Institut für soziale Stadtentwicklung (IFSS). Sie führen seit Jahrzehnten die Jüngeren in die Innenstadtbezirke und Familien oder Ältere immer noch an den grünen Rand. Viele, die die zentrumnahen Quartiere verlassen, rücken heute allerdings nur wenige Kilometer weiter: So zogen 2012 über 3600 Berliner aus Mitte weg nach Pankow. Etwa 2500 Wilmersdorfer siedelten nach Steglitz-Zehlendorf über, und mehr als 2400 Tempelhofer wechselten nach Neukölln. Die hippe Berliner City hat zwar ein Plus an Zuwanderern, aber ein Minus in puncto Binnenwanderung zu verzeichnen.
Wer seine Wohnung aufgrund der steigenden Mieten nicht mehr halten könne, so der Sozialwissenschaftler Andrej Holm, versuche oft unter allen Umständen in der Nähe seines alten Kiezes zu bleiben. Wem aber auch dort die Mieten zu hoch sind, der muss weiter – Richtung Stadtrand. Das Jobcenter in Spandau stellte 2011 eine Statistik zusammen, die aufzeigt, wie viele Menschen aus Bedarfsgemeinschaften in den Bezirk gezogen sind und woher sie kamen. Allein im Februar des ausgewählten Jahres kamen 218 neue Klienten aus Mitte, 161 aus Charlottenburg – aus allen Berliner Bezirken zusammen waren es über 800. Die zweithöchste Aufnahme von Bedürftigen hat Marzahn-Hellersdorf zu verzeichnen. Zum dortigen Jobcenter wechselten im Februar 2011 über 776 Hilfe-Empfänger.
Mit dem Ansteigen der Mieten in den Bezirken Pankow, Friedrichshain-Kreuzberg und Mitte dürften es inzwischen noch deutlich mehr sein. Darauf lässt auch die Bevölkerungszunahme im Märkischen Viertel schließen: 1260 Menschen zogen im vergangenen Jahr dorthin; ein Bevölkerungsplus von 3,5 Prozent.
Rosemarie Mieder
MieterMagazin 5/14
Das Märkische Viertel verzeichnete im vergangenen Jahr einen Bevölkerungszuwachs von 3,5 Prozent
Foto: Holger Mombrei/
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19.05.2014