In guter Erinnerung ist manchen von uns noch die mit Leidenschaft geführte Auseinandersetzung der Geschlechter um die Frage, ob der Mann in stehender oder sitzender Körperhaltung das kleine Toiletten-Geschäft tätigen solle.
Soweit die Örtlichkeit eine sitzende Verrichtung zulässt, ging die weibliche Mehrheitsmeinung dahin, dass dem auch in solcher Haltung nachzukommen sei. Männer, so hieß es, verursachen ansonsten durch zielunsichere entsprechende Betätigung aus mehr oder weniger großer Höhe eine Verunreinigung des Klosett-Umfeldes, deren Beseitigung geschlechterrollenspezifisch wiederum häufig den Frauen obliege. Die Begründung war plausibel, wenn auch mancher mutmaßte, dass das Hygiene-Argument nur vorgeschoben war, um dem Manne ein weiteres seiner abnehmenden Sonderstellungsmerkmale abzutrotzen. Einen begründeten Nutzen der aufrechten Harnlassung vermochte andererseits bei aller Suche niemand erkennen, kein ins Feld geführter Anthropologe („… sehe keinen entwicklungsgeschichtlichen Vorteil“), auch kein Urologe („… rate, besonders bei Prostata-Problemen, eher zum gemütlichen Sitzen“). So erlahmte die Debatte erkennbar. Für neuen Diskussionsstoff sorgte nun ein Vermieter, der seinen Mieter für die Folgen des aufrechten Toilettengangs in Haftung nehmen wollte. Der Mamorboden der Toilette habe durch Urinspritzer des „notorischen Stehpinklers“ gelitten, weshalb er dem Ausziehenden die Rückzahlung seiner Kaution verweigerte. Der Mieter zog vor Gericht. Wie hätten Sie entschieden?
Richter Stefan Hank vom Amtsgericht Düsseldorf fand den gutachterlich begründeten Vortrag des Vermieters nachvollziehbar und glaubhaft, gleichwohl wies er den Anspruch auf einen Schadenersatz zurück. Hank: „Trotz der in diesem Zusammenhang zunehmenden Domestizierung des Mannes ist das Urinieren im Stehen durchaus noch weit verbreitet. Jemand, der diesen früher herrschenden Brauch noch ausübt, muss zwar regelmäßig mit bisweilen erheblichen Auseinandersetzungen mit insbesondere weiblichen Mitbewohnern, nicht aber mit einer Verätzung des im Badezimmer oder Gäste-WC verlegten Marmorbodens rechnen.“ Ergo: Das Pinkeln im Stehen gehört zum vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung.
(Amtsgericht Düsseldorf – 42 C 10583/14)
Udo Hildenstab
03.05.2015