Die Deutschen sind Weltmeister im Honigessen: Ein Kilogramm verzehrt jeder pro Jahr. Dafür müssen Bienen 250.000 Kilometer weit fliegen – sechs Erdumrundungen. Wer glaubt, dass die fleißigen Tiere ihr wichtiges Werk nur in ländlichen Regionen verrichten, der irrt: Bienenhaltung in der Stadt boomt.
Nicht nur für die Honigproduktion sind Bienen unverzichtbar. Eine noch viel wichtigere Rolle kommt ihnen beim Bestäuben von Kulturpflanzen zu. Ob Apfel oder Tomate: In den Genuss der meisten Obst- und Gemüsesorten auf unserem Teller kommen wir nur, weil die umtriebigen Insekten Pollen von Blüte zu Blüte tragen. Als primärer Bestäuber für über 80 Prozent aller Nutz- und Wildpflanzen schafft die Biene es auf Platz drei der wichtigsten Nutztiere – nach Rind und Schwein. Seit Jahren sterben weltweit große Teile der Bienenpopulationen. Geht das Bienensterben weiter, droht eine ökologische Katastrophe.
Kurios mutet zunächst die Tatsache an, dass Bienen in den Städten inzwischen bessere Bedingungen vorfinden als auf dem Land. Parks und Kleingärten, begrünte Dachterrassen, Friedhöfe oder Brachflächen bieten eine abwechslungsreiche, reichhaltige Vegetation – und damit ausreichend Nahrung von Frühjahr bis Spätherbst. Der Einsatz von Pestiziden, die Monokulturen und die starke Düngung von Nutztierweiden auf dem Land hingegen dezimieren die Pflanzenvielfalt. Manche Bienenvölker in ländlichen Regionen leiden regelrecht Hunger. Einer aktuellen Studie zufolge sammelt ein Bienenvolk in Berlin 47 Kilogramm Honig pro Jahr, im deutschen Durchschnitt aber nur 30 Kilogramm.
Lecker ist der Stadthonig dank des vielfältigen Bienen-Speiseplans allemal. Aber ist Honig aus der Stadt auch gesund? Denkt man an den Stadtverkehr, mag man das eher bezweifeln. Eine unabhängige Analyse ergab 2015 jedoch, dass Autoabgase nur geringste Spuren im Berliner Honig hinterlassen – weniger, als die Grenzwerte für Trinkwasser zulassen. Hier hat sich seit der letzten Untersuchung in den 80er Jahren, als die Autos noch mit bleihaltigem Benzin fuhren, viel verändert.
Einiges getan hat sich auch, was das Image des Imkerns angeht. Lange Zeit galt die Bienenzucht als antiquiertes Altmännerhobby. Das weltweite Bienensterben, dessen Gründe seit Jahren Forscher und Medien bewegen, wurde auch auf den nicht vorhandenen Imkernachwuchs zurückgeführt. Tatsächlich geben immer mehr Berufsimker auf, weil sie gegenüber Billigimporten aus dem Ausland nicht konkurrenzfähig sind. Dafür gewinnt die Imkerei als Hobby an Bedeutung. Mit dem „Urban Beekeeping“ kehrt die Bienenhaltung als weltweiter Trend in die Metropolen zurück. Vielen Neu-Imkern geht es dabei mehr um Naturschutz als um die Honiggewinnung.
Süße Aussichten
In Berlin betreuen heute 500 Imker 3000 Bienenvölker. 150 Tonnen Honig werden pro Jahr geerntet. In der Hauptstadt finden sich Bienenstöcke in Gärten und Kleingartenanlagen, aber auch an Orten, an denen man sie auf den ersten Blick nicht vermuten würde: beispielsweise auf Dächern von Verwaltungsgebäuden wie dem Hellersdorfer Rathaus, auf Friedhöfen – oder auch auf Balkonen. Für 370 Euro kann man sich beispielsweise die „BienenBox“ nach Hause bestellen, einen Bausatz für eine Bienenbeute (so heißt die Bienen-Behausung im Fachjargon) inklusive Balkonhalterung. Wer lieber selbst bastelt, findet online auch Bauanleitungen für die sogenannte „Bienenkiste“.
Bis zu 15 Kilo leckeren Honig vom eigenen Balkon und ein verhältnismäßig geringer zeitlicher Aufwand – die BienenBox-Macher veranschlagen 20 Stunden im Jahr –, das klingt erst einmal verlockend. Allerdings sollte man die Verantwortung, die man für eigene und umliegende Bienenvölker trägt, nicht unterschätzen, etwa hinsichtlich einer möglichen Krankheitsübertragung.
Katharina Buri
Bienenhaltung: Tipps für Einsteiger
Wer selbst in die Imkerei einsteigen will, sollte einiges beachten:
- Ausbildung: Traditionell erfolgt der Einstieg in die Imkerei über die mindestens einjährige Begleitung durch einen erfahrenen Imkerpaten. Zuvor bietet sich ein (Schnupper-)Kurs an. „Imkern auf Probe“ – die begleitete Betreuung eines Volkes – ist eine weitere Einstiegsmöglichkeit.
- Anmelden: Bienenstöcke müssen beim Veterinäramt angemeldet werden. Zusätzlich empfiehlt sich, abzuklären, ob die eigene private Haftpflichtversicherung Bienenhaltung einschließt.
- Rechtliches: Als Wildtiere tauchen Bienen nicht im Mietvertrag auf. Das Amtsgericht Hamburg-Harburg hat 2014 entschieden, dass Bienenhaltung auf dem Balkon einer Mietwohnung den vertragsgemäßen Gebrauch überschreitet – selbst im Falle einer unwirksamen Tierhaltungsklausel. Vorab also die Bienenhaltung mit dem Vermieter absprechen.
- Anwohner: Um Auseinandersetzungen oder gar Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden, sollten direkte Nachbarn ebenfalls über die geplante Bienenhaltung informiert werden.
kb
Der Berliner Imkerverband bietet eine stadtweite Kursübersicht:
http://imkerverband-berlin.de
Unter www.bienenbox.de kann die BienenBox für den Balkon (oder mit Standvorrichtung) bestellt werden.
Auf www.bienenkiste.de finden Interessierte Bauanleitungen.
04.05.2017