Letztes Jahr verbrachte Familie Dietrich ihren Urlaub in einem 800 Jahre alten Bauernhaus mit Swimmingpool in den Pyrenäen. Vor ein paar Jahren residierten sie in einer Dachgeschosswohnung mit riesiger Terrasse direkt an der Kathedrale in Florenz. Bezahlen mussten sie für diese Traumdomizile keinen Cent. Sie haben sie gegen ihre Mietwohnung in Schöneberg getauscht.
Die Idee stammt aus den 1950er Jahren. Es waren junge Lehrer, die in privater Initiative dicke Wälzer mit Tauschadressen aus aller Welt zusammenstellten nach dem Motto: Warum ein teures Ferienapartment anmieten, wenn man sein Zuhause tauschen kann? Längst hat sich daraus ein professionelles Geschäftsmodell entwickelt. Es gibt Dutzende von Internetportalen, wo man sich anhand von Fotos, Profilen und – ganz wichtig – Bewertungen die passende Unterkunft aussuchen kann. Ganz kostenlos ist diese Leistung in der Regel nicht. Die Stiftung Warentest hat in ihrer April-Ausgabe von „test“ vier große Anbieter unter die Lupe genommen. Drei davon verlangen Jahresgebühren von 110 bis 140 Euro. Dafür kann man beliebig oft tauschen, außerdem gibt es diverse Zusatzleistungen. So bietet „HomeLink“, eine der ältesten und größten Tauschorganisationen, eine Rücktrittsabsicherung. Platzt der Tausch wegen Krankheit und ist kein Ersatz zu finden, werden Hotelkosten übernommen. Eher an junge Globetrotter richtet sich dagegen „GuestToGuest“. Die Mitgliedschaft ist gratis, eine Service-Hotline gibt es hier nicht. Versicherungen können kostenpflichtig dazugebucht werden. Bei fast allen Anbietern kann man auch zeitversetzt tauschen oder auf die Suche nach einem Haustier-Sitter gehen.
Die Branche boomt. Doch trotz beachtlicher Zuwachsraten ist Wohnungs- und Haustausch nach wie vor in den USA oder Spanien viel populärer als hierzulande. Grund ist wohl das ausgeprägte Sicherheitsbedürfnis der Deutschen, vermutet Susanne Dahn, Sprecherin von „Haustauschferien“: „Viele denken sofort an Vandalismus oder Diebstahl, dabei haben wir in den 15 Jahren unseres Bestehens noch nie einen solchen Vorfall erlebt.“ Schon 34 Mal hat Ingeborg Dietrich* in den letzten elf Jahren ihre Wohnung getauscht. Ursprünglich war der Kostenaspekt ausschlaggebend. Doch mittlerweile weiß sie noch ganz andere Dinge zu schätzen. Die „ganz besonderen Unterkünfte“, die in keinem Reisekatalog stehen, etwa das Haus in den Pyrenäen. Oder die Insidertipps. Statt in einer anonymen Bettenburg zu wohnen, taucht man ein in das Alltagsleben der Einheimischen. Negative Erfahrungen hat sie noch nie gemacht. Nicht unterschätzen sollte man allerdings das Aufräumen und Saubermachen vorher. Es sei Ehrensache, dass man die Wohnung in einem tadellosen Zustand übergibt. Bei den ersten Malen hat Ingeborg Dietrich noch darauf geachtet, private Unterlagen in den Keller zu bringen. „Das mache ich jetzt nicht mehr, man mailt und telefoniert ja vorher, erfährt, was der andere beruflich macht – da entsteht schon ein Vertrauensverhältnis.“
Besonders beliebt bei Familien
Besonders beliebt ist das Ferienmodell bei Familien. Bei HomeLink sind 76 Prozent der Tauschpartner Paare mit Kindern. Für sie ist es besonders praktisch, eine komplett ausgestattete Wohnung mit Kinderstühlen, Spielsachen und so weiter vorzufinden. Manche tauschen auch die Autos.
Aber hat man überhaupt Chancen, seine Zweizimmerwohnung im Wedding gegen ein Strandhaus in Miami zu tauschen? Durchaus, heißt es bei HomeLink: „Schätzungsweise 70 Prozent tauschen zwar auf gleichem Niveau, aber manchen kommt es auch mehr auf die Lage oder die Zahl der Schlafmöglichkeiten an“, so Manfred Lypold.
Birgit Leiß
* Name von der Redaktion verändert
Vertrauen ist gut, Vorsicht ist besser
Die Frage, ob man für einen Wohnungstausch eine Genehmigung vom Vermieter braucht, ist gar nicht so einfach zu beantworten. Streng genommen handelt es sich um eine unerlaubte Gebrauchsüberlassung. Als Besuch können die Tauschpartner nicht gelten, weil man sie häufig nicht zu Gesicht bekommt. Falls der Vermieter überhaupt etwas mitbekommt, ist die Sache aber meist schon Vergangenheit. Außerdem kann er schlecht beweisen, dass man seine Gäste nie gesehen hat. Vielleicht hat man ja nach der Schlüsselübergabe noch zusammen zu Abend gegessen? Der Rechtsexperte des Berliner Mietervereins, Frank Maciejewski, rät dennoch zur Vorsicht, vor allem, wenn man es mit einem „kündigungswilligen“ Vermieter zu tun hat.
Wichtig ist auf jeden Fall der Abschluss einer Tauschvereinbarung. Formulare zum Downloaden finden sich auf den Websites der Tauschorganisationen. Beide Tauschpartner sollten zudem eine Hausrat- und Haftpflichtversicherung haben und ihren Versicherungsanbieter informieren. Nicht vergessen: den Nachbarn Bescheid sagen, damit die nicht wegen der vermeintlichen Einbrecher die Polizei rufen.
bl
Die Zeitschrift „test“ stellt in ihrer April-Ausgabe vier Haustauschanbieter vor und gibt Tipps, worauf man beim Tausch achten sollte. Der Testbericht ist kostenlos abzurufen unter
www.test.de/wohnungstausch
04.05.2017