Enno Stahl hat ein neues Genre erfunden, den „analytischen Roman“, der mit eingeflochtenen Statistiken, Interviews mit realen Personen und historischen Exkursen eine klare gesellschaftskritische Botschaft transportiert. Die Parallelität der fiktiven und realen Stränge beeinträchtigt zwar bisweilen den Erzählfluss, vermittelt aber fundiertes Zusatzwissen.
Die Sanierungswelle im Prenzlauer Berg steht dabei exemplarisch für grundlegende Änderungen in den Lebensläufen der Betroffenen. Donata, alleinerziehende Mutter und Redakteurin, ihr Ex-Freund, Bohemien, und Stone, der nach Neukölln zieht, bis ihn auch dort die Folgen der Gentrifizierung einholen, erleben den Niedergang ihres Kiezes hautnah. Kein Geschichtsbuch kann den wenigen verbliebenen Einwohnern und den „Zugezogenen“ aus aller Welt die Geschichte und Geschichten des Quartiers am Wasserturm näher bringen als dieses Buch. Enno Stahl hat die Veränderungsprozesse dokumentiert – spannend, kenntnisreich, engagiert, witzig.
rb
24.04.2020