Die Anwohnerinitiative Thälmannpark kämpft seit fast neun Jahren gegen die Verkleinerung und Zerstückelung der Grünanlage im nördlichen Prenzlauer Berg. So will der Bezirk für einen Schulerweiterungsbau 0,6 Hektar Grün roden, außerdem plant ein privater Investor Townhouses und Hochhäuser am Rande des Parks. Das MieterMagazin sprach mit dem Mitinitiator Markus Seng, dem inoffiziellen „Teichwart“ Volker Herold und mit Franziska Hauser, der vor allem der Naturschutz am Herzen liegt.
MieterMagazin: Was bedeutet Ihnen der Park?
Franziska Hauser: Ich wohne ganz in der Nähe und komme fast täglich hierher. Es ist die einzige fußläufig erreichbare Grünfläche und wird von den Anwohnern entsprechend stark genutzt. Ich bin über mein Engagement für den Umweltschutz zur Initiative gestoßen. Der Grünbestand muss unbedingt erhalten werden. Er ist unglaublich wichtig für Pflanzen, Tiere und Menschen.
Markus Seng: Er ist unser grünes Wohnzimmer, wo man sich trifft und nachbarschaftliche Kontakte pflegt. Um so mehr natürlich, seit wir als Initiative aktiv sind. Ich kenne mittlerweile so viele Leute, wir organisieren Flohmärkte und feiern Feste. Das ist ein sehr schönes Lebensgefühl.
Volker Herold: Ich habe früher in einem Altbau in der Nähe gewohnt und bin hier immer mit meinem Hund spazierengegangen. Seit ich hier wohne, muss ich nur vor die Haustür treten und bin mitten im Grünen. Seit 2007 kümmere ich mich um den Kiezteich, räume Müll weg und sammle Spenden für die Wasserversorgung. Der Teich sollte damals zugeschüttet werden. Er hätte keinerlei Relevanz, hat mir ein grüner Stadtrat ins Gesicht gesagt. Heute gibt es hier Vögel und Fledermäuse, ein richtiges „Klein-Amazonien“.
MieterMagazin: Sie wenden sich gegen den Bau von Wohnungen und Schulerweiterungsflächen. Das ist nicht gerade populär.
Volker Herold: Wir sind nicht gegen die Erweiterung der Grundschule. Der Bedarf ist unstrittig. Schon 2013 haben wir ein Nutzungskonzept erarbeitet, in dem wir eine Erweiterung in das ehemalige Vivantes-Klinkum direkt neben der Schule vorschlagen. Auch eine Aufstockung des Schulgebäudes wäre denkbar. Aber unsere Argumente wurden nie ernsthaft geprüft. Jeder will einen Teil des Parks, aber der Thälmannpark ist doch ein Gesamtensemble!
Markus Seng: Nach den Plänen des Bezirks sollen 42 Bäume gefällt und die Durchwegung, die täglich von Tausenden Menschen genutzt wird, unterbrochen werden. Die Parkanlage würde zerschnitten werden. Was die Randbebauung betrifft: Der Immobilienhändler Christian Gerome, der das ehemalige Bahnareal 2011/ 2012 unter dubiosen Umständen gekauft hat, will Luxuswohnungen bauen. Was wir brauchen sind bezahlbare Wohnungen, aber auch mehr Platz für Kultur und Bildung, für Kinder und Jugendliche, außerdem eine Erweiterung der Grünfläche – genau dies hatte der Bezirk ursprünglich mit der bundeseigenen Fläche vor.
MieterMagazin: Wie ist Ihre Initiative aufgebaut?
Markus Seng: Wir sind etwa 30 Leute und basisdemokratisch organisiert. Es gibt keinen Sprecher und wir sind auch kein Verein. Es gibt einen inneren Kreis und drumherum sind die Arbeitsgruppen, etwa zu Denkmalschutz oder Altlasten. Unsere Erfahrung ist: Einwohneranträge sind das Mittel der Wahl und bringen mehr als das Gespräch mit Politikern. Wir waren die ersten in Pankow, die einen solchen Antrag in die Bezirksverordnetenversammlung eingebracht haben und zurzeit sammeln wir Unterschriften für unseren dritten. Zwar wurden die ersten beiden abgelehnt, aber die vielen Unterschriften machten Eindruck.
Interview: Birgit Leiß
Platte mit Rundumversorgung
Das 1986 eingeweihte Ensemble Ernst-Thälmann-Park zwischen Greifswalder Straße, Prenzlauer Allee und Danziger Straße ist eines der letzten großen Wohnungsbauprojekte der DDR. Auf dem Areal eines ehemaligen Gaswerks entstand eine 16 Hektar große Parkanlage mit Hochhäusern, Schule, Schwimmhalle, Planetarium, Geschäften und Kulturzentrum. Heute sind die Hochhäuser mit rund 1100 der 1300 Wohnungen im Besitz der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Gewobag, die achtgeschossigen Plattenbauten gehören der Genossenschaft Zentrum. 2014 wurde die Parkanlage unter Denkmalschutz gestellt.
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www.thaelmannpark.wordpress.com
Das MieterMagazin stellt an dieser Stelle in lockerer Folge Nachbarschafts- und Quartiersinitiativen vor.
29.04.2021