Man stelle sich vor: Da wohnt man vier Jahre lang in einer Wohnung, und plötzlich taucht eine Firma auf, die behauptet, rechtmäßige Eigentümerin zu sein. Ein juristisch hochspannender Fall, der für die Mieterin mit dem Verlust ihrer Wohnung endete.
Ende 2014 war Katja Goerschel mit ihren beiden Kindern in eine Dreizimmerwohnung in der Woelckpromenade 33 in Weißensee gezogen. Den Mietvertrag schloss sie über eine Maklerin mit der spanischen Firma „Farsalia 2000 S. L“ ab. Das Mietverhältnis lief ohne Probleme, bis sie 2018 plötzlich ein Schreiben von Angelika Syring im Namen der „Daccord Real Properties Ltd.“ erhielt. Man sei seit 2008 im Grundbuch als Nießbraucherin eingetragen, Eigentümerin sei die „Gehsener Straße 50 Objekt GmbH & Co. KG“. Der Mietvertrag mit der Farsalia sei nicht bekannt und nicht gewollt. Die schockierte Mieterin verlangte einen Grundbuchauszug. Dieser bestätigte Syrings Angaben. Dabei hatte sich die Mieterin sicherheitshalber nach Abschluss des Mietvertrags von der Verwaltung eine Liste aller Eigentümer zeigen lassen. Dort war die spanische Firma als Eigentümerin ihrer Wohnung vermerkt. Auch der Kaufpreis war gezahlt worden. Kai-Peter Breiholdt, Anwalt der Farsalia: „Es hat jedoch keine Eigentumsumschreibung stattgefunden.“
Doch wie kann es sein, dass vier Jahre lang nicht bemerkt wurde, dass die Wohnung vermietet ist und die Miete an den Käufer gezahlt wird? In einer Stellungnahme an das MieterMagazin erklärt Angelika Syring dazu, sie sei erst seit 2018 Geschäftsführerin der Areal Liegenschaften GmbH und habe erst zu diesem Zeitpunkt die Unterlagen einsehen können. Die Areal ist Komplementärin, das heißt persönlich haftende Gesellschafterin der KG als Eigentümerin. Was Syring nicht erwähnt: Zum Zeitpunkt des Verkaufs war sie bei dem Notar angestellt, der den Kauf abwickelte. Breiholdt sagt, der mittlerweile verstorbene Notar habe nicht ordentlich gearbeitet. Auf die Frage, warum sie das Mietverhältnis mit Familie Goerschel nicht fortsetzen wollte, geht Syring nicht ein. 2019 wurde Räumungsklage eingereicht. Weil sich das Amtsgericht für nicht zuständig erklärte – es handele sich nicht um eine Mietrechtsstreitigkeit – landete der Fall zunächst vor dem Landgericht. Dieses verurteilte die Mieterin zur Räumung der Wohnung (LG Berlin vom 17. September 2020 – 3 O 534/19). Das Argument: Die Farsalia sei nicht bevollmächtigt gewesen, einen Mietvertrag abzuschließen.
Katja Goerschel legte zwar Berufung ein, doch bevor das Kammergericht als nächsthöhere Instanz darüber entscheiden konnte, gab sie auf und erklärte sich zum Auszug bereit. Der psychische Druck war zu groß. Doch das Kammergericht, das trotz des Vergleichs noch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden hatte, sah die Sache dann ganz anders als das Landgericht. Die Behauptung der Klägerin, dass man die Sache „aus dem Blickfeld“ verloren hatte und sich deswegen all die Jahre nicht gerührt habe, sei nicht nachvollziehbar. Zudem war der Farsalia offenbar der Schlüssel übergeben und somit das Besitzrecht eingeräumt worden. Die Klage auf Herausgabe der Wohnung wäre voraussichtlich abgewiesen worden, so das Gericht (KG vom 25. März 2021 – 8 U 1136/ 20).
Deutliche Worte, über die Katja Goerschel trotz allem erleichtert ist. Syring, die auch SPD-Politikerin ist, hatte bereits angekündigt, rund 21.000 Euro als Nutzungsentschädigung für die letzten vier Jahre zu fordern. Das dürfte damit vom Tisch sein.
Birgit Leiß
24.04.2021