Nach dem Aus des Berliner Mietendeckels steigen die Mieten wieder so stark an wie zuvor. Das zeigt der Wohnungsmarktbericht 2021 der Investitionsbank Berlin (IBB). Der Berliner Mieterverein (BMV) befürchtet eine weitere Verschärfung der Wohnungsnot und fordert vor allem vom Bund eine Kurswende.
Die Angebotsmieten stiegen im Jahr 2021 um vier Prozent auf einen Mittelwert von 10,55 Euro pro Quadratmeter nettokalt. In der Innenstadt liegt der Wert schon fast durchgängig über 13 Euro. Die kurze Atempause, die der Berliner Mietendeckel den Mieterinnen und Mietern verschafft hat, ist nach dessen vorzeitigem Aus schon wieder verpufft. Dabei sorgte die Corona-Pandemie dafür, dass der Druck auf den Wohnungsmarkt etwas nachgelassen hat. Die Stadtbevölkerung ist im Jahr 2020 nicht wie prognostiziert um rund 20.000 Einwohner gewachsen, sondern um 5403 Personen geschrumpft. 2020 ging auch die Zahl der Baufertigstellungen um 14 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurück. Das ist der erste Rückgang seit elf Jahren. Als Gründe vermutet die IBB coronabedingte Verzögerungen und Kapazitätsengpässe bei den Baufirmen.
Zahl der Sozialwohnungen schrumpft weiter
Die Wohnungsnachfrage wird voraussichtlich wieder steigen. „Ich bin fest überzeugt, dass Berlin nach dem Ende der Pandemie wieder wachsen wird“, sagt Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD). Hinzu kommt, dass die Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine flüchten, untergebracht werden müssen. Geisel setzt dabei auf den Neubau: „Wir brauchen dringend eine Wohnungsbauoffensive – mit dem Neubaubündnis und einem überarbeiteten Förderprogramm für den Bau neuer Sozialwohnungen werden wir das konsequent weiterverfolgen.“
Noch kann der Neubau von geförderten Wohnungen das Schrumpfen des Sozialwohnungsbestandes nicht auffangen: Der Bestand ist um 0,2 Prozent auf 95.560 Wohnungen gesunken. Gleichzeitig wurde im Jahr 2020 19.408 Mietwohnungen in Eigentum umgewandelt, im Jahr 2021 waren es sogar 28.595.
Angesichts des IBB-Wohnungsmarktberichts befürchtet der Berliner Mieterverein (BMV) weiter massiv steigende Mieten. Die zentralen Probleme könne Berlin nicht allein lösen, es brauche Regulierungen vom Bund. „Wenn hier keine Kurswende kommt, weil die FDP alles blockieren will, dann sehen wir schwarz für die Berliner und für alle angespannten Märkte in der Republik“, erklärt BMV-Geschäftsführer Reiner Wild.
Der BMV fordert mehr sozialen und preisgünstigen Wohnungsneubau. Weil die Angebotsmieten wieder ungebremst ansteigen, fordert der BMV auch eine wirksame und unkomplizierte Mietenregulierung bei Wiedervermietung.
Eine riesige Herausforderung ist der Klimaschutz. „Um die gesetzten Klimaziele zu erreichen, müssen bis 2050 rund 80 Prozent des Gebäudebestandes entsprechend angepasst werden“, sagt Angeliki Krisilion vom IBB-Vorstand. Eine sozialverträgliche energetische Sanierung ist dabei aus Sicht des BMV nur mit öffentlichen Fördermitteln möglich. Die modernisierungsbedingte Mieterhöhung dürfe nicht mehr als 1 bis 1,50 Euro pro Quadratmeter betragen. Dafür müsse das Mietrecht geändert werden. Der BMV fordert zudem, dass die Bundesregierung die geplante EU-Energieeffizienzrichtlinie schon vorab umsetzt und eine Sanierungspflicht für die energetisch schlechtesten Gebäude erlässt.
Jens Sethmann
IBB-Wohnungsmarktbericht 2021:
www.ibb.de/wohnungsmarktbericht
Bauüberhang immer noch hoch
Die Zahl der Baugenehmigungen sinkt in Berlin seit fünf Jahren. Im Jahr 2021 wurden laut dem Amt für Statistik Berlin-Brandenburg Baugenehmigungen für 18.716 Wohnungen erteilt – 8,5 Prozent weniger als 2020. Für den Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) ist das ein „Echo des schwierigen Neubauklimas aus der letzten Legislatur“, so Vorstand Maren Kern. Baugenehmigungen sind allerdings noch lange keine Baufertigstellungen. Die Kluft zwischen genehmigten und tatsächlich fertiggestellten Wohnungen liegt laut IBB weiter auf Rekordniveau. Bis 2020 hat sich dieser Bauüberhang auf 66.553 Wohnungen aufgestaut. Offenbar wird weiter mit Baugrundstücken samt genehmigter Planung spekuliert, obwohl der Senat 2018 die Gültigkeit von Baugenehmigungen verkürzt hat. Sie verfallen, wenn der Bau nach zwei Jahren nicht begonnen wurde oder nach sechs Jahren nicht fertig ist.
js
30.04.2022