Der neue Berliner Senat möchte bis 2026 jedes Jahr 20.000 Wohnungen bauen, davon 5000 als geförderte Sozialwohnungen. Um diese hochgesteckten Ziele zu erreichen, sollen sich verstärkt private Wohnungsunternehmen beteiligen. Doch beim Sozialen Wohnungsbau halten sich die Privaten sehr zurück. Kann man sie – wie geplant – mit neuen Förderbedingungen locken? Der Berliner Mieterverein ist skeptisch.
Der Bau von Sozialwohnungen hinkt in Berlin den hohen Ansprüchen hinterher. Die Investitionsbank Berlin (IBB) hat im Jahr 2021 mit ihrem Wohnungsneubaufonds den Bau von nur 1826 Wohnungen bewilligt, obwohl das Land Berlin pro Jahr 500 Millionen Euro für den Sozialen Wohnungsbau bereitstellt. Der neue Senat hat sich vorgenommen, die Förderbedingungen zu überarbeiten.
Bisher werden die geförderten Sozialwohnungen ganz überwiegend von den sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften errichtet – in den Förderjahren 2019/20 zu 92 Prozent. Woran liegt es, dass die privaten Unternehmen die Sozialbau-Förderung weitgehend verschmähen? Wie müssten die Förderbedingungen aussehen, damit sich Private stärker im Bau von Sozialwohnungen engagieren?
Vermieter: Auch eine Mischkalkulation löst nicht das Problem
Nach Ansicht des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) ist die 2014 eingeführte Grundkonstruktion der Wohnungsbauförderung vor allem auf die landeseigenen Wohnungsunternehmen zugeschnitten. Die Fördersummen reichen dem BFW nicht aus. Angesichts stark gestiegener Grundstückspreise und Baukosten seien Sozialwohnungen nicht mehr „wirtschaftlich sinnvoll darstellbar“. „Bei einer Miete von 6,50 Euro und einem Baudarlehen von 1800 Euro pro Quadratmeter lassen sich, rein rechnerisch, lediglich knapp 2000 Euro pro Quadratmeter finanzieren. Die Kosten für die Unternehmen liegen aber tatsächlich mittlerweile bei bis zu 4500 Euro – und das ohne vermeintlich überflüssige Luxusausstattung“, erklärt Susanne Klabe, Geschäftsführerin des BFW-Landesverbandes Berlin/Brandenburg. Die Lücke von 2500 Euro müssten die Unternehmen aus eigener Kraft schließen. „Die dabei anfallenden Summen können – auch als Mischkalkulation mit hochpreisigen Wohnungen im selben Objekt – nicht mehr gegenfinanziert werden.“
Für den BFW müsste die Lücke geschlossen oder zumindest verkleinert – sprich: die Fördergelder erhöht werden. Der Verband wünscht sich auch flexiblere Förderquoten nach Hamburger Vorbild und einen „einkommensorientierten Zuschuss“: Damit würden Mieterinnen und Mieter dem Staat gegenüber ihr Einkommen offenlegen, und der Bauherr bekommt dann einen Zuschuss, um die nicht zu erwirtschaftenden Einnahmen zu kompensieren. Mit wachsendem Einkommen würde dann die zu zahlende Miete steigen und der Zuschuss sinken. „Es wird schwierig, durch das Justieren von kleinen Stellschrauben das Grundproblem der mangelnden Wirtschaftlichkeit zu beseitigen“, meint Susanne Klabe. „Dafür muss man an die Fundamente des Berliner Fördersystems gehen.“
Der Verband Haus & Grund, der vor allem kleinere Eigentümer vertritt, sieht für die Zurückhaltung „historische Gründe“. „Die insbesondere mit dem Land Berlin in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen betreffend den Umgang mit der öffentlichen Förderung von Wohnraum gebieten größte Vorsicht“, sagt der Berliner Haus-&-Grund-Vorsitzende Carsten Brückner. Im Gegensatz zum freifinanzierten Wohnungsbau würden die Förderauflagen Unsicherheiten und wirtschaftliche Risiken mit sich bringen, denn die Politik könne jederzeit die Rahmenbedingungen ändern. „Es bedarf daher zunächst der Wiederherstellung eines ausreichenden Vertrauenstatbestandes durch die Politik, bevor sich private Eigentümer auch in diesem Marktsegment wieder stärker engagieren“, so Carsten Brückner.
Mieterverein: Förderzuschuss und Bindungsdauer durchaus attraktiv
Der Berliner Mieterverein (BMV) hält die Förderbedingungen für Bauherren für nicht so unattraktiv, wie sie von den Eigentümern dargestellt werden. Schließlich müssten 25 Prozent der Fördersumme nicht zurückgezahlt werden, und der Bindungszeitraum sei mit 30 Jahren recht kurz. Diejenigen Privaten, die sich auf diese Bedingungen einlassen, würden sich gewiss nicht sehenden Auges in ein finanzielles Unglück stürzen. So lange aber teure freifinanzierte Wohnungen verkäuflich sind, wird im Großen und Ganzen bei Privaten das Interesse am Bau von Sozialwohnungen klein bleiben.
„Langfristig ist es wegen des kurzen Bindungszeitraums von 30 Jahren sinnvoll, öffentliche Fördermittel vorrangig für Gemeinwohl-Anbieter wie kommunale Wohnungsunternehmen oder Genossenschaften zu vergeben“, sagt BMV-Geschäftsführer Reiner Wild. „Einmal öffentlich gefördert – dauerhaft gebunden“ ist eine zentrale Forderung des Mietervereins. Das lässt sich mit landeseigenen Unternehmen am besten sicherstellen, weil diese auch über die 30 Jahre hinaus von der Politik zu einer sozialen Vermietung verpflichtet werden können.
Bei privaten Wohnungsunternehmen kommt noch das Problem der vorzeitigen Darlehensrückzahlung hinzu: Der Gesetzgeber hat nach einer vorfristigen Rückzahlung des Förderkredits nur eine maximal 12-jährige Nachwirkungsfrist festgelegt. Das heißt, die Geltungsdauer der Sozialbindungen kann durch den Bauherrn deutlich verkürzt werden. „Zudem sind die aktuell gewährten Tilgungsverzichte doch sehr problematisch, weil sie staatliche Geschenke sind, die die Vermögensungleichheit verstärken“, erklärt Reiner Wild. „Es ist also ein Spagat, die Förderbestimmungen für Private attraktiver zu gestalten, ohne ihnen das Geld hinterherzuwerfen.“
Jens Sethmann
www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/wohnungsbau/de/foerderung/
Zwei Fördermodelle mit 30 Jahren Sozialbindung
Die aktuellen Wohnungsbauförderungsbestimmungen (WFB) von 2019 sehen zwei Fördermodelle vor. Im Fördermodell 1 bekommen die Bauherren ein zinsloses Baudarlehen, das – abhängig vom Bodenwert – zwischen 1450 Euro und 1800 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche liegt. Ein Viertel des Darlehens muss nicht zurückgezahlt werden. Die Wohnungen müssen an Inhaber eines Wohnberechtigungsscheines (WBS) zu einer Anfangsmiete von 6,50 Euro beziehungsweise 6,70 Euro pro Quadratmeter vergeben werden. Die Mieten dürfen alle zwei Jahre um bis zu 0,20 Euro pro Quadratmeter steigen.
Das Fördermodell 2 kann nur ergänzend in Anspruch genommen werden: Wenn mindestens 30 Prozent der zu errichtenden Wohnungen mit dem Modell 1 gefördert werden, können zusätzlich bis zu 20 Prozent der Wohnungen einen Kredit nach Modell 2 bekommen. Hier gibt es ein zinsloses Darlehen in Höhe von 1150 Euro bis 1500 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Die Miete ist anfangs bei 8,20 Euro pro Quadratmeter festgelegt und kann ebenfalls alle zwei Jahre um bis zu 0,20 Euro steigen. Einzugsberechtigt sind WBS-Inhaber mit einem etwas höheren Einkommen. In beiden Modellen gelten die Sozialbindungen 30 Jahre lang. Die Größe der geförderten Wohnungen ist begrenzt: So dürfen Einzimmerwohnungen bis zu 40 Quadratmeter groß sein, Fünfzimmerwohnungen bis zu 93 Quadratmeter.
js
Flexibler gleich besser?
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen plant, die Fördergelder für den Sozialen Wohnungsbau auf 750 Millionen Euro pro Jahr zu erhöhen, und arbeitet zurzeit an neuen Förderrichtlinien – auch um private Investoren stärker einzubeziehen. Die Fördersummen pro Quadratmeter sollen demnach angehoben werden. Statt zweier Fördermodelle könnte es künftig drei geben, die nicht mehr zwingend miteinander kombiniert werden müssen und flexibler in Anspruch genommen werden können. Es ist im Gespräch, im Fördermodell 1 den Tilgungsverzicht von 25 auf 35 Prozent zu erhöhen und auch im Fördermodell 2 auf 10 Prozent des Geldes zu verzichten. Die Einstiegsmieten sollen im Fördermodell 1 von 6,50 Euro auf 6,80 Euro pro Quadratmeter nettokalt heraufgesetzt werden, im Modell 2 von 8,20 Euro auf 8,50 Euro. Für den BMV ist das nicht nachvollziehbar, denn angesichts der steigenden Energiekosten dürften viele der wohnberechtigten Haushalte unter die Armutsgrenze rutschen. Der Mieterverein befürchtet, dass private Unternehmen in größerem Stil das Fördermodell 2 in Anspruch nehmen, das höhere Mieteinnahmen erlaubt, und dass dadurch bei den landeseigenen Unternehmen allein die Aufgabe verbleibt, mit dem Fördermodell 1 die Wohnungen für die untersten Einkommensgruppen zu bauen.
Der BMV begrüßt das Vorhaben, mit dem neuen Fördermodell 3 auch Umnutzungen von bestehenden Gebäuden für Wohnzwecke zu fördern. Die Idee, nach der Bindungszeit die Umwandlung der geförderten Mietwohnungen in Eigentumswohnungen zu erlauben, lehnt der BMV ab.
js
20.12.2022