Bürokratie, keinen eigenen Wohnraum, schlecht bezahlte Jobs – die Ankunft in Berlin hält für viele Zuwanderer mit Migrationshintergrund prekäre Verhältnisse bereit. Eine Gruppe von Aktivisten unterstützt Menschen aus Lateinamerika mit Hilfe zur Selbsthilfe – und politischer Arbeit.
Mehr als 93.000 Menschen sind 2021 aus dem Ausland nach Berlin gezogen. Wie viele von ihnen aus lateinamerikanischen Ländern kommen, darüber findet sich nichts in der Statistik. „Die meisten haben ein einjähriges Arbeitsvisum in der Tasche“, sagt Lucio Piccoli. Der Aktivist und promovierte Historiker weiß, wie hart die Ankunft im Berliner Alltag ist: Am Anfang steht Bürokratie; ein schwieriger Wohnungsmarkt und Diskriminierung drängen viele in Übergangsquartiere: Sie kommen bei Freunden unter, wohnen zur Zwischenmiete – und ziehen bis zu sechsmal in sieben Monaten um. Das recherchierte die vor fünf Jahren gegründete Gruppe Bloque Latinoamericano, zu der auch Lucio Piccoli gehört. Um zu informieren, Ratschläge zu geben, Hilfe zur Selbsthilfe anzubieten, haben sie den Kreis „Ciudad Migrante“ ins Leben gerufen. Er findet 14-tägig in dem kleinen Neuköllner Laden „Rote Lilly“ statt – und die rege Teilnahme macht deutlich, wie wichtig solche Zusammenkünfte sind.
Das Neuankommen sei für viele ein Überlebenskampf, sagt Lorenzo Brändli, einer der Aktivisten, die „Ciudad Migrante“ gründeten. Dabei kommen die meisten jungen Leute mit Hoffnungen auf eine Zukunft und nicht selten mit einem guten Bildungsabschluss in der Tasche. Die Jobs, die sie hier verrichten, finden sie jedoch vor allem in der Care-Arbeit, als Putzhilfen, beim Lieferservice oder in der Gastronomie. Um das zu ändern, leistet Bloque Latinoamericano auch wichtige politische Arbeit im Kampf gegen prekäre Arbeits- und Wohnbedingungen und ist eng vernetzt mit der Mietergemeinschaft Kotti & Co und der Kampagne Deutsche Wohnen & Co enteignen. „Wir sind Teil dieser Gesellschaft“, sagt Lucio Piccoli. „Und wir haben auch ein Recht auf diese Stadt.“
Rosemarie Mieder
http://bloquelatinoamericanoberlin.org/
04.05.2023