Insgesamt gibt es in Berlin 5776 Praxen, in denen laut der Kassenärztlichen Vereinigung derzeit 10.393 Ärzte und Psychotherapeuten auf rechnerisch 8173 Stellen arbeiten. Die Versorgung der Bevölkerung ist noch zufriedenstellend. Doch es mehren sich die Stimmen, die vor einer deutlichen Verschlechterung warnen.
Über 30 Jahre hatte Dr. K. seine Praxis für Allgemeinmedizin im Reichenberger Kiez in Kreuzberg betrieben. Er war ein klassischer Hausarzt, der seine Patient:innen gut kannte und sie ihn auch. Wenn es nötig war, machte er Hausbesuche. Umso größer war der Schreck, als sich die Nachricht verbreitete, dass der Arzt beabsichtigte, seine Praxis aus Altersgründen zu schließen. Doch im Stich lassen wollte Dr. K seine Patient:innen nicht.
Er stellte sich vor, dass ein junger Kollege oder eine Kollegin die Praxisräume übernimmt und so die ärztliche Versorgung aufrechterhalten bleibt. Das wäre bei der allgemeinen Suche von jungen Ärzt:innen nach solch einer Möglichkeit auch keine Schwierigkeit gewesen. Doch der Vermieter machte einen Strich durch diese Rechnung.
Weniger Ärzte – weitere Wege
„Es kam nicht einmal zu Verhandlungen“, berichtet Dr. K. Vielmehr lehnte der Vermieter es in Bausch und Bogen ab, wieder eine Praxis in den Räumen zu beherbergen. Dr. K.: „Er sagte, dass er eher daran denke, die Fläche als einzelne Plätze im Rahmen eines Co-Working-Spaces zu vermieten“. Jetzt hat sich die Versorgungslage gerade für ältere Menschen rund um die Praxis deutlich verschlechtert, denn auf die Suche nach einem neuen Arzt folgen jetzt längere Wege. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) kennt das Problem und warnt vor einer bald eintretenden Unterversorgung mit Hausärzten in der Hauptstadt. Auch bei Frauen-, Haut-, Augen- und Hals-Nasen-Ohren-Ärzten steuere Berlin in einzelnen Bezirken bereits auf bedenkliche Defizite zu. Auf der anderen Seite gibt es derzeit allein in der hausärztlichen Versorgung 140 verwaiste Niederlassungsmöglichkeiten in Berlin. Diese Zahl wird schon allein aus demographischen Gründen bald weiter steigen: Mehr als die Hälfte der in Berlin ambulant tätigen Ärzte und Psychotherapeuten sind 55 Jahre und älter. Bei den Praxisinhabern sind es sogar 61 Prozent.
Ein besonderer Fall ist die Gemeinschaftspraxis am Schlesischen Tor. Eine Verlängerung des Mietvertrags der medizinischen Institution, die jährlich tausende Patientinnen und Patienten versorgt, wurde nach über 40 Jahren vom Vermieter, einer Luxemburger Kapitalgesellschaft, verweigert. Eine Schließung der Praxis hätte schwere Auswirkungen auf die Versorgung von Menschen mit Suchterkrankungen, von denen mehr als 100 am Tag dort substituiert werden.
Zahlreiche soziale und drogenpräventive Verbände, Politiker:innen und auch die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von FriedrichshainKreuzberg setzen sich für die Fortführung der Praxis ein. Aufgrund des Protestes und der politischen Unterstützung wurde eine Verlängerung des Mietvertrags bis Ende Juni 2024 erreicht. Erneut laufen Verhandlungen über eine Verlängerung – mit ungewissem Ausgang – da der Vermieter deutlich machte, dass er eine Weitervermietung an eine Substitutionspraxis ablehnt. „Gerade diese engagierten jungen Ärzte haben Probleme, geeignete Praxisräume zu finden“, teilt die Ärztekammer Berlin auf Anfrage des MieterMagazins mit.
Längere Wege zum Facharzt sind schon heute die Normalität. In naher Zukunft könnte das auch für den Gang zum Hausarzt gelten.
Stefan Klein
Wo die KV weiterhilft
Bei der Suche nach einem Arzt oder Psychotherapeuten unterstützt die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Berlin auf ihrer Homepage im Internet. Neben einer automatisierten Praxissuche wird auch über alle Fragen rund um die Kassenärzte in Berlin beraten. So können Patient:innen im Falle einer Praxisverlegung die aktuelle Adresse herausfinden, denn nicht immer lässt sich die neue Adresse über eine Suchmaschine im Internet herausfinden. Ist eine Praxis endgültig geschlossen worden, können Patient:innen über die Ärztekammer Berlin Einsicht in ihre Behandlungsunterlagen erhalten. Über ein Antragsformular kann eine Versichertenauskunft nach § 83 SGB X angefordert werden.
sk
www.kvberlin.de
29.04.2024