Ein Fall, an den ich mich immer erinnern werde, hat sich ganz am Anfang meiner Tätigkeit als Anwalt zugetragen. Ich bin in Berlin geboren und aufgewachsen. Nach dem Abitur habe ich hier auch studiert, anfangs aber nicht Jura, sondern Philosophie und Geschichte. Da fehlte mir aber etwas die Struktur, und so bin ich zur Rechtswissenschaft gekommen.
An Mietrecht habe ich damals noch nicht gedacht, davon hört man im Studium auch nicht viel. Wie viele engagierte Kommilitonen stellte auch ich mir vor, Strafverteidiger zu werden. So war ich denn beim Republikanischen Anwaltsverein (RAV) aktiv. Aus Interesse am Thema baute ich dort den Arbeitskreis Mietrecht mit auf. Dann vermittelte mir ein befreundeter Kollege einen Platz in einer Bürogemeinschaft, in der das Dezernat für Mietrecht zu besetzen war. Ich machte mich an die Arbeit – und fand Mietrecht spannend und anspruchsvoll. Es machte mir Spaß.
Eines Tages bekam ich nun eine Akte auf den Tisch, die Sache sah nicht besonders schwierig aus. Ein Mieter hatte Schimmel in seiner Wohnung, ich klagte für ihn auf Beseitigung. Doch postwendend kam eine Widerklage des Vermieters. Darin behauptete er eine Mitschuld meines Mandanten an dem Schimmelbefall und kündigte aus diesem Grund fristlos die Wohnung. Ich erschrak nicht wenig. Hatte ich den Mann mit meiner Klage um seine Wohnung gebracht? Das Amtsgericht gab der Kündigung statt, und meine Sorgen wurden nicht weniger. Aber in der Berufung wendete sich das Blatt. Der Vermieter hatte nämlich zwischenzeitlich eine Mieterhöhung gefordert, und auf mein Anraten hin hatte der Mieter dieser zugestimmt. Dies sah die Richterin am Landgericht als Fortsetzung des Mietverhältnisses trotz Kündigung an, und wies bereits allein aus diesem Grund die Kündigungsklage ab. Ich war natürlich heilfroh, dass die Sache für meinen Mandanten gut ausgegangen war. Aber es machte mir deutlich, was für eine große Verantwortung man als Anwalt auf Mieter:innen-Seite hat.
Und dem versuche ich jetzt auch in der Beratung für den Berliner Mieterverein immer gerecht zu
werden.
Stefan Klein
28.04.2024