Eine kritische Bestandsaufnahme des Immobilienunternehmens Vonovia vor allem wegen der exorbitanten Heizkostennachforderungen stand auf der Tagesordnung, als der Berliner Mieterverein am 22. und 23. März 2024 gemeinsam mit dem Deutschen Mieterbund, der Plattform kritischer Immobilienaktionär:innen und dem MieterInnenbündnis VoNO!via & Co. zu einer zweitägigen Konferenz geladen hatte.
BMV-Geschäftsführerin Ulrike Hamann-Onnertz begrüßte die Teilnehmer:innen in den Räumen der Rosa-Luxemburg-Stiftung und stellte zur Lage der bei Vonovia und anderen börsennotierten Immobilienunternehmen Wohnenden fest, dass „viele erleben, wie wenig in den Häusern gemacht, also investiert wird, wie oft Fahrstühle ausfallen und trotzdem die Mieten weiter steigen“. Das aktuelle Hauptproblem: Der Konzern sei zwar nie erreichbar, aber dennoch wurden für Betriebs- und Heizkosten extrem hohe Nachzahlungen in Rechnung gestellt.
Der Einführungsabend der Veranstaltung stand unter dem Motto „Bestandsaufnahme“. Die Fachreferentin im Deutschen Mieterbund, Anna Wolff, der Abteilungsleiter Recht im Berliner Mieterverein, Stefan Schetschorke, Jasmina Rühl, Expertin für die Vernetzung von Vonovia-Betroffenen sowie der frühere BMV-Geschäftsführer Reiner Wild, der dem Klimaschutzrat Berlin angehört, berichteten von den kaum nachvollziehbaren Abrechnungen, die der Immobilien-Gigant seinen Mieter:innen vorlegt. Die beiden Stichwörter „Fernwärmeversorgung“ und „Contracting“ wurden dabei immer wie der genannt und schließlich als Hauptquellen der beklagten Intransparenz ausgemacht.
Hohe Nachzahlungen, null Transparenz
Am zweiten Tag der Veranstaltung stand im Mittelpunkt der Diskussionen und Arbeitsgruppen die Frage, wie man sich gemeinsam gegen die Abrechnungen zur Wehr setzt. „Keine Zahlung ohne Beleg“ lautete ein wichtiger Grundsatz, den das Mieter:innenbündnis VoNO!via & Co. bei der Prüfung der Betriebskostenabrechnungen vertrat. Solange ein Vermieter nicht alle den Abrechnungen zugrunde liegenden Belege vorgelegt hat, haben die Mieter:innen ein Zurückbehaltungsrecht der geforderten Betriebskostennachzahlung, ohne dass dies negative Folgen für sie haben darf. Am wirksamsten sei es, sich in Nachbarschaften zusammenzutun.
Neben den Abrechnungsdebatten tauchten in der Veranstaltung auch immer wieder Fragen nach Struktur und Geschäftspolitik des Bochumer Unternehmens auf. Knut Unger vom Mieterverein Witten erläuterte hierzu zentrale Punkte des Konzerngeschäftsberichts aus dem Jahr 2023 und stellte dar, welche Konsequenzen sich daraus für Mieterorganisationen und Wohnungspolitik ergeben. Denn die Wärmeversorgung hat bekanntlich neben der individuellen Seite der Mieterheizkosten auch eine klimapolitische.
Und schließlich: Eine Alternative stelle auch die Vergesellschaftung der Immobilienbestände großer Immobilienkonzerne dar, wie sie eine Volksabstimmung in Berlin gefordert hat, so die Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“.
BMV-Geschäftsführerin Ulrike Hamann-Onnertz sagte den Teilnehmer:innen in ihrem Schlusswort: „Ich bin beeindruckt von den Vielen und stolz auf alle, die heute hier sind, weil sie sich nicht entmutigen lassen, sondern sich von der Klugheit der Vielen ihre Kraft holen, um sich Vonovia & Co zu widersetzen.“
Stefan Klein
Contracting: Was ist das?
„Contracting“ oder „Energie-Contracting“ ist eine umfassende Dienstleistung, mit der die Energie- und Kosteneffizienz von Gebäuden oder Produktionsbetrieben langfristig verbessert wird. So erläutert die „Bundesstelle für Energieeffizenz“ beim Bundesamt für Wirtschaft den Begriff „Contracting“. Es klingt durchdacht und zum Nutzen beider Seiten: des Wohnungsunternehmens und der Mieterinnen und Mieter. In der Praxis wird dieses Modell dazu benutzt, um Mieter:innen mit überzogenen Betriebs- und Heizkosten zu belasten. Denn wenn die Wohnungsunternehmen mit der Wärmeversorgung einen Contractor beauftragen, ist dieser häufig ein Tochterunternehmen oder anderweitig mit dem Auftraggeber verbunden. Das sorgt nicht für eine wirtschaftlich optimale Versorgung der Mieter:innen, sondern für Gewinne im Unternehmen aus einer neuen Einnahmequelle: Contracting.
sk
29.04.2024