Viele Menschen fühlen sich belästigt, wenn unangemeldet ein Vertreter vor der Tür steht, der angibt, von der Gasag oder einem anderen Energieversorger zu kommen und versucht, sie zum Abschluss eines neuen, angeblich günstigeren Vertrages zu bewegen. Anders als viele glauben ist die Haustürwerbung – im Gegensatz zur Telefonwerbung – nicht verboten.
Kurz vor Weihnachten klingelte bei Lara Schmidt* eine angebliche Mitarbeiterin der Gasag. Weil sie alle möglichen Daten erfragte, wurde die Mieterin misstrauisch und wimmelte sie ab. Eine andere Mieterin hatte durchaus Interesse an dem Angebot, war sich aber nicht sicher, ob es sich bei dem Vertreter an der Haustür nicht um einen Betrüger handelt. Ein Anruf bei der Gasag brachte Gewissheit: Er wurde dort als Mitarbeiter geführt.
Wie erkennen, wen man vor sich hat?
Grundsätzlich lassen sich drei Typen unterscheiden: der Scammer („Betrüger“), der die Wohnung oder das Haus ausspioniert, um an sensible Daten heranzukommen – und oft auch vor Diebstahl nicht zurückschreckt. Das ist ein Fall für die Polizei. Ein häufiger Trick, um in die Wohnung zu kommen: Er müsse sich unbedingt den Zähler anschauen. Zweitens sind oft ganze Kolonnen unterwegs, die keinen Auftrag von einem Unternehmen haben, sondern selbstständig auf Provisionsbasis arbeiten. Und drittens setzt die Gasag wie viele andere Energieunternehmen tatsächlich auch Außendienst-Teams ein. Auch sie bekommen meist eine Provision im Erfolgsfall. Doch wie kann man unterscheiden, ob man einen seriösen Vertreter oder einen Betrüger vor sich hat? „Unsere Fachberater sind immer an ihrem persönlichen Ausweis mit Namen und Lichtbild erkennbar“, erklärt der Sprecher der Gasag, Benjamin Madsen. Außerdem tragen sie Kleidung mit dem Gasag-Logo. Im Zweifelsfall kann man die Identität des Vertreters telefonisch überprüfen lassen. Die Gasag hat dafür extra eine Hotline eingerichtet.
Haustürgeschäfte kann man widerrufen
Aber warum setzt man überhaupt solche „Klinkenputzer“ ein? Hat man Verständnis dafür, dass sich nicht nur ältere Menschen überrumpelt fühlen? „Viele Kundinnen und Kunden möchten sich nicht online informieren, sondern zu ihrem Anliegen persönlich beraten werden“, sagt dazu der Gasag-Sprecher. Die Fachberater:innen im Außendienst könnten auf Wünsche eingehen und offene Fragen in Ruhe klären. Bei der Verbraucherzentrale Berlin gehen vergleichsweise wenig Beschwerden über die Gasag ein. „Da gibt es Schlimmere“, erklärt Energierechtsberaterin Hasibe Dündar. Sie rät dazu, sich nicht auf lange Gespräche einzulassen: „Man darf nicht vergessen, dass das gut geschulte, rhetorisch geschickte Mitarbeiter sind.“ Oft würden gerade ältere Menschen unter Druck gesetzt. Das Wichtigste: Nichts ohne gründliche Prüfung unterschreiben und sich immer die Vertragskonditionen schriftlich geben lassen. Bei Haustürgeschäften gilt ein 14-tägiges Widerrufsrecht: Wird man darüber vom Vertreter nicht ausdrücklich aufgeklärt, so verlängert sich diese Frist sogar auf 12 Monate und 14 Tage. „Will man von seinem Widerrufsrecht Gebrauch machen, muss man das auch genauso formulieren.“ erklärt Hasibe Dündar. Viele würden schreiben ‚Hiermit kündige ich …‘. Das kann dann so ausgelegt werden, dass man den Vertrag zum nächstmöglichen Zeitpunkt kündigen will. Beim Widerruf widerspricht man aber dem Abschluss des Vertrages, so dass dieser erst gar nicht zu laufen beginnt.
Birgit Leiß
* Name ist der Redaktion bekannt
Lästig, aber legal
Unangekündigte Haustürwerbung sei keine unzumutbare Belästigung und somit rechtlich nicht zu beanstanden, entschied das Kammergericht vor einigen Jahren (KG Berlin vom 1. Dezember 2020 – 5 U 26/19 –). Der Bundesgerichtshof bestätigte das Urteil (BGH vom 23. September 2021 – I ZR 221/20 –). Die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) kritisiert den mangelnden Schutz vor unerwünschten Haustürbesuchen. Sie werden von den meisten Verbraucher:innen abgelehnt, so ihre Erfahrung. Gefordert wird eine gesetzliche Regelung, Haustürbesuche ohne vorherige Einwilligung zu untersagen.
bl
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29.04.2024