Mit der Silbersteinstraße in Neukölln ist in Berlin erstmals eine Straße wegen überhöhter Feinstaubbelastung für den Lkw-Verkehr gesperrt worden. Das bisher nur nachts – aus Lärmschutzgründen – geltende Fahrverbot wurde kürzlich auf den gesamten Tag ausgeweitet. Lastwagen dürfen jetzt nur noch in die Silbersteinstraße fahren, wenn sie dort etwas anliefern oder abholen. Der Durchgangsverkehr muss die Stadtautobahn benutzen.
Nicht nur in der Silbersteinstraße, auch in vielen anderen Straßen der Hauptstadt wurden die Feinstaub-Grenzwerte bereits in den ersten fünf Monaten 2005 öfter als die zulässigen 35 Tage pro Jahr überschritten. „Straßensperrungen wegen zu starker Feinstaubbelastung müssen jedoch die Ausnahme bleiben“, sagt Bernd Lehming, Referatsleiter Immissionsschutz bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. In diesem speziellen Fall sei die Stadtautobahn „eine geeignete Alternative zur Silbersteinstraße“. „Normalerweise führen Straßensperrungen nur zu einer Verlagerung der Probleme und sind deshalb keine sinnvolle Lösung“, sagt Lehming. So sei beispielsweise die von Anwohnern geforderte Sperrung der Frankfurter Allee nicht umsetzbar, weil es keine geeigneten Umfahrungsmöglichkeiten gebe. Auch in der Frankfurter Allee ist die Feinstaubbelastung höher als das Gesetz erlaubt.
Gegen überhöhte Belastungen haben mittlerweile Bürger mit Unterstützung von Umweltverbänden in mehreren Städten geklagt, unter anderem auch in Berlin. In einem ersten Urteil hat das Verwaltungsgericht München die Klage eines Anwohners an einer belasteten Straße abgewiesen. Die ersten Urteile in Berlin stehen noch aus.
Aus für alte Dieselfahrzeuge
Bereits 1999 wurden EU-weit gültige Grenzwerte für Feinstaub beschlossen, die seit Anfang dieses Jahres gelten. Wie fast alle Länder – die laut Gesetz für die Umsetzung zuständig sind – scherte sich auch Berlin fünf Jahre lang nicht um die Vorgaben aus Brüssel. Erst Anfang 2005 legte der Senat den „Luftreinhalte- und Aktionsplan für Berlin 2005 bis 2010“ vor, mit dem die Stadt ihren Teil zur Minderung der Feinstaubbelastung beitragen will. Wichtigste Maßnahme ist die Einführung einer so genannten Umweltzone in der Innenstadt im Jahr 2008. Von da an sollen alte Dieselfahrzeuge, die nicht mindestens die Abgaswerte der Euro-II-Norm erfüllen, nicht mehr in die Innenstadt fahren dürfen. Das beträfe dann etwa 10 Prozent der Diesel-Pkw und etwa 20 Prozent der Diesel-Lkw. Bei Umsetzung des Planes könne die Feinstaubbelastung in Berlin um etwa 10 Prozent verringert werden, so Senatsexperte Lehming.
„Die vordringlichste Aufgabe ist, Dieselautos ohne Partikelfilter so schnell wie möglich aus der Innenstadt zu verbannen“, sagt der Feinstaub-Experte des „Bund für Umwelt und Naturschutz“ (BUND) in Berlin, Sebastian Petrich. „Der BUND fordert, dass die Umweltzone bereits im kommenden Jahr eingerichtet wird.“
Rund die Hälfte des Feinstaubs in der Hauptstadt entsteht nicht in der Region, sondern wird vorwiegend aus Osteuropa herübergeweht. Von der Hälfte, die in Berlin selbst erzeugt wird, stammen rund 40 Prozent aus Autoabgasen. Etwa weitere 40 Prozent stammen aus dem Reifenabrieb und der Aufwirbelung vorhandener Stäube durch den Verkehr.
Volker Wartmann
MieterMagazin 6+7/05
Durchfahrtsverbot: Die Neuköllner Silbersteinstraße ist für Lkw gesperrt
Foto: Kerstin Zillmer
Luftreinhalteplan
Zweifel berechtigt
Skeptiker bezweifeln, dass Berlin seinen neuen Luftreinhalteplan tatsächlich umsetzt. 1994 hatte der Senat auf Initiative der CDU-Senatoren Volker Hassemer und Herwig Haase schon einmal einen ähnlichen Plan beschlossen: Schadstoffarmen und leisen Diesel-Pkw und Diesel-Lkw sollten bereits ab 1998 beziehungsweise 2000 „Benutzervorteile“ eingeräumt und „laute Stinker“ aus der Innenstadt verbannt werden. Wegen rechtlicher Bedenken und Rücksichtnahme auf das Berliner Gewerbe verstaubte dieser Plan jedoch in der Schublade.
vw
03.08.2013