Ein großes Zentrum für die Kreativwirtschaft, an die 10.000 neue Arbeitsplätze, 5000 neue Wohnungen und ein großer Park – das alles soll nach den Plänen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung auf dem Tempelhofer Feld entstehen, wenn der letzte Flieger abgehoben hat. Kritiker halten diese ehrgeizige Vision für überdimensioniert und mahnen Zurückhaltung an.
Um vor dem Volksentscheid ihre Entschlossenheit zur Schließung des Flughafens Tempelhof zu unterstreichen, hat Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer im März ehrgeizige Pläne für die Entwicklung des Tempelhofer Feldes vorgestellt. Seit der gescheiterten Abstimmung ist nun klar: Ab dem 1. November 2008 wird die 386 Hektar große Fläche kein Flughafen mehr sein, sondern der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen.
Das riesige Flughafengebäude soll unter dem Namen „Tempelhof-Forum THF“ eine neue Adresse für die Kultur-, Medien- und Kreativwirtschaft mit internationaler Ausstrahlung werden. Im Gebäude und auf dem Rollfeld davor soll langfristig auch ein „Themenpark Luftfahrt“ eingerichtet werden. Bis zu 5000 Arbeitsplätze sollen hier entstehen. Ende des Jahres wird mit der weltweiten Vermarktung des Gebäudes begonnen.
Zukunftsmusik: eine internationale Bauausstellung
Die große Freifläche bleibt im Wesentlichen frei. Von drei Seiten her wird jedoch an den Rändern gebaut. Am Tempelhofer Damm und entlang der Ringbahn soll das „Stadtquartier Tempelhof“ entstehen, in dem sich Firmen ansiedeln, die Produkte des Klimaschutzes, der Umwelt- und Solartechnik oder der nachhaltigen Gebäudetechnologie herstellen. Neben erwarteten 4500 Arbeitsplätzen können auf dieser 28 Hektar großen Teilfläche auch rund 2300 Wohnungen gebaut werden. An der Ringbahn könnte auch ein neuer S-Bahnhof eingerichtet werden. Im Jahr 2009 möchte die Senatsverwaltung einen städtebaulichen Ideenwettbewerb für diese Gelände durchführen.
Am Columbiadamm ist der Bau eines „Columbia-Quartiers“ vorgesehen. Auf knapp elf Hektar sollen 1500 Wohnungen entstehen, vor allem in innovativen Wohnformen wie Baugruppen, neuen Genossenschaftsmodellen oder Mehrgenerationen-Wohnhäusern. „Die Lage bietet sich für Baugruppen geradezu an“, meint Ingeborg Junge-Reyer. „Kreative Milieus können hier in einer innovativen Architektur eigene Lebensentwürfe verwirklichen.“ Im Jahr 2017 will die Senatorin hier eine Internationale Bauausstellung durchführen. Ein städtebaulicher Ideenwettbewerb soll bereits im September 2008 entschieden werden, Ende 2009 beginnt die Vermarktung der Grundstücke.
Das „Stadtquartier Neukölln“ schließt sich an das Wohngebiet Schillerpromenade an. Ab etwa 2012 sollen rund 1200 Wohnungen im Geschosswohnungsbau errichtet werden.
In der Mitte verbleibt eine Parklandschaft von etwa 220 Hektar, die auch weiterhin als stadtklimatische Kaltluftschneise dient. Für dieser Grünfläche, die nur wenig von Menschenhand gestaltet werden soll, wird im Sommer 2008 ein landschaftsplanerischer Ideenwettbewerb ausgelobt.
Franziska Eichstädt-Bohlig, Fraktionsvorsitzende der Grünen, begrüßt die Pläne im Grundsatz: „Endlich kommen vom Senat handhabbare Nutzungsvorschläge für das Tempelhofer Feld und für das Flughafengebäude.“ Sie warnt allerdings vor einer vorschnellen Vermarktung des Tempelhofer Feldes: „Der Entwicklung der Flächen muss soviel Zeit gegeben werden, dass anderen noch unausgelasteten Baupotenzialen nicht unnötig Konkurrenz gemacht wird.“
Die CDU kritisiert das Nachnutzungskonzept scharf: „Die Senatorin hat im Prinzip nur die verstaubten Pläne aus den Archiven ihres Amtsvorgängers Strieder hervorgekramt“, erklärt der haushaltspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Uwe Goetze. Die Konzeption sei „überdimensioniert“ und die Kosten würden „aus dem Ruder laufen“, mahnt Goetze.
Jens Sethmann
MieterMagazin 6/08
Die Zukunft des Tempelhofer Feldes:Wohnen? Arbeiten? Erholen? Oder alles zusammen?
Foto: Christian Muhrbeck
Zum Thema:
Als Flughafen längst bedeutungslos
Die Schließung des Flughafens Tempelhof ist schon 1994 mit der Festlegung auf den Großflughafenstandort Schönefeld (BBI) beschlossen worden. In der Sicherheitszone 2 von Tempelhof leben 460.000 Menschen – bei BBI sind es dagegen 30.000. Tempelhof hat am Fluggastaufkommen der drei Berliner Flughäfen nur noch einen Anteil von 1,7 Prozent. Der Betrieb ist defizitär: Die staatliche Flughafengesellschaft musste seit 1990 über 200 Millionen Euro zuschießen.
js
11.07.2013