Exorbitante Mietsteigerungen in mehreren Wohnanlagen des Sozialen Wohnungsbaus drohen zu einem sozial verheerenden Flächenbrand zu werden. Nach dem 2003 vom Senat vollzogenen Ausstieg aus der Förderung sind in 28.000 Sozialwohnungen Mieterhöhungen auf bis zu 21 Euro pro Quadratmeter nettokalt möglich. Immer mehr Vermieter nutzen diese abenteuerlichen Mietsteigerungsmöglichkeiten jetzt tatsächlich aus – nicht nur, um die Sozialmieter loszuwerden, sondern auch, um einzelne Mieter, die sich öffentlich wehren, ganz gezielt auf die Straße zu setzen. Die vom Senat beschlossenen Härteausgleichsregelungen sind lückenhaft und völlig unzureichend. Höchste Zeit, das Ruder herumzureißen.
Die ersten, die das Desaster ereilte, waren 31 Mieter aus der Fanny-Hensel-Siedlung in Kreuzberg. Wie berichtet (MieterMagazin 3/10, Seite 8: Schöneberger Straße: Unsozialer Wohnungsbau), haben Bewohner der Häuser Schöneberger Straße 5-6a im Februar drastische Mieterhöhungen bekommen: Zum 1. März wurde die Miete von 5,33 Euro auf 7,04 bis 7,30 Euro pro Quadratmeter nettokalt heraufgesetzt. Eine solche Mietsteigerung wäre im normalen Mietrecht nicht möglich – im Sozialen Wohnungsbau ist sie aber völlig legal. Nachdem der Senat eine Anschlussförderung verweigert hatte, darf der Eigentümer sogar die sogenannte Kostenmiete verlangen (siehe Kasten: „Der Ausstieg aus der Anschlussförderung und die fatalen Folgen“ weiter unten). Die liegt in der Fanny-Hensel-Siedlung bei 13,02 Euro pro Quadratmeter, in anderen Wohnanlagen sogar noch deutlich darüber.
Von den Sozialmietern der Schöneberger Straße ist keiner in der finanziellen Lage, die Mieterhöhung zu bezahlen. Da das Vergleichsmietensystem im Sozialen Wohnungsbau nicht gilt, können die Mieter aber die Höhe der verlangten Miete auch nicht anfechten. Das bedeutet: Wer nicht zahlt, muss gehen. Für die Mieter ist der Vorgang gleichbedeutend mit einer extrem kurzfristigen, unanfechtbaren Kündigung. „Das ist praktisch eine Wegnahme der Wohnung“, meint Sebastian Jung, Mietersprecher der Fanny-Hensel-Siedlung. Ausgerechnet die Regeln des Sozialen Wohnungsbaus haben die unsozialsten Folgen und treffen die Schwächsten.
Scherbenhaufen einer verfehlten Mietenpolitik
Auslöser dieser paradoxen Situation war der Ausstieg aus der Anschlussförderung: Um Geld zu sparen, stellt der Senat seit 2003 die Förderung von Sozialbauten nach 15 Jahren ein. Dass die Eigentümer dann die Mieten auf die Kostenmiete hochsetzen können, war den Verantwortlichen bewusst. Man nahm aber an, dass die Eigentümer die Miete höchstens um zwei Euro pro Quadratmeter anheben würden, weil höhere Mieten am Markt nicht durchsetzungsfähig seien. „Diese Annahme hat sich als hochkarätig falsch erwiesen“, sagt Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins (BMV). Der Mieterverein weiß inzwischen von sieben Sozialwohnanlagen in Kreuzberg, Schöneberg und Wedding mit insgesamt über 500 Wohnungen, in denen die Mieten in den letzten Monaten drastisch erhöht worden sind. „In der Kreuzberger Oranienstraße 99-105 ist sogar die Schallmauer von zehn Euro erreicht worden“, so Reiner Wild.
3,9 Milliarden Euro an öffentlichen Fördermitteln sind in der Vergangenheit für die jetzt betroffenen 28.000 Wohnungen gewährt worden. „Es ist ein sozialpolitischer Skandal ersten Ranges, dass trotz dieser gigantischen Förderung der Sozialwohnungsbestand zukünftig nur noch Haushalten mit mittlerem und hohem Einkommen zur Verfügung stehen soll“, sagt Wild. Der Senat stehe vor dem „Scherbenhaufen seiner Mietenpolitik“.
Zwar habe man Härtefallregelungen beschlossen, doch den meisten betroffenen Mietern nützen sie nichts. Mieter mit geringem Einkommen haben zwar einen Anspruch auf Mietausgleichszahlungen. Allerdings werden die Mieten nur bis zur Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete von 5,80 Euro pro Quadratmeter bezuschusst, der Härteausgleich kann die Mietsteigerungen also nicht annähernd auffangen. Sollten die Sozialmieter ihre Wohnung nicht halten können, bekommen sie eine Umzugsbeihilfe von 1500 bis maximal 3500 Euro.
Senat verharrt in Untätigkeit
Allerdings: Umzugsbeihilfen und Mietausgleichszahlungen werden nur gewährt, wenn der Eigentümer innerhalb von drei Jahren, nachdem ihm die Anschlussförderung verweigert wurde, die Miete erhöht. Tut er dies erst später, stehen die Mieter ohne Unterstützung da. „Wir haben kein Verständnis dafür, dass die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung derartige Mieterhöhungen in den Sozialwohnungen nicht als Härte auffasst, nur weil die Dreijahresfrist abgelaufen ist“, erklärt Reiner Wild.
Als die 31 Mieter in der Schöneberger Straße im Februar 2010 ihre Mieterhöhung erhalten hatten, war die Frist für die Härtefallregelungen schon längst abgelaufen. Die Mieter mussten innerhalb von knapp drei Wochen entscheiden, ob sie versuchen wollen, ihre Wohnung zu halten, oder ob sie kündigen. Die einzig eingeräumte „Großzügigkeit“: Statt des zulässigen Räumungstermins Ende April wurde ihnen eine Frist bis zum 30. Juni gewährt.
„Das Minimum wäre, dass man sich unter zumutbaren Bedingungen eine neue Wohnung suchen darf“, fordert Mietersprecher Jung. In so kurzer Zeit eine passende und bezahlbare Wohnung zu finden, die möglichst im gewohnten Wohnumfeld liegt, ist aber nahezu unmöglich.
In dieser dramatischen Situation haben die Mieter der Fanny-Hensel-Siedlung das Abgeordnetenhaus dann aber doch dazu gebracht, sich mit der Angelegenheit zu beschäftigen. Das Parlament beschloss am 25. Februar einen Dringlichkeitsantrag der SPD und der Linken, in dem der Senat aufgefordert wurde, die Härtefallregelung bis zum 31. März zu überprüfen. Doch die zuständige Senatsverwaltung stellte den Mietern lediglich ausnahmsweise Umzugsbeihilfen in Aussicht, Mietausgleichszahlungen lehnte sie weiter ab.
Das Abgeordnetenhaus hatte die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften auch aufgefordert, den betroffenen Mietern Ersatzwohnungen anzubieten, doch das Ergebnis war kläglich: „Von 40 angebotenen Wohnungen sind 39 nicht passend“, sagt Eckhard Sagitza vom Wohnungsamt Friedrichshain-Kreuzberg. Die einzige Wohnung, deren Preis nach den Vorschriften für Grundsicherungs- oder Arbeitslosengeld-II-Empfänger geeignet wäre, ist eine Zwei-Zimmer-Wohnung – und die ist für die von Obdachlosigkeit bedrohten mehrköpfigen Familien leider untauglich. Ein Wohnungsunternehmen scheute sich auch nicht, eine Wohnung im brandenburgischen Falkensee anzubieten – die obendrein noch viel zu teuer war.
„Acht Mietparteien haben selbst eine Wohnung gefunden, zum Teil aber in Bezirken, wo sie gar nicht hinwollten“, berichtet Sebastian Jung. Eine Familie zieht nach Spandau, ihr Kind wird aus seiner Grundschule gerissen. Andere sind zwar in der Nähe geblieben, mussten ihre Wohnfläche aber so sehr verkleinern, dass die neue Wohnung überbelegt ist. „23 Mietparteien sind noch gänzlich unversorgt“, mahnt Jung.
„Für die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung wäre es einfach gewesen, die städtischen Wohnungsbaugesellschaften anzuweisen, passende Wohnungen zur Verfügung zu stellen“, meint Franz Schulz, Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg. Er ärgert sich auch, dass sich die Verwaltung der Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer weigert, an einem vom Bezirk einberufenen Runden Tisch teilzunehmen. „Von Seiten des Senats ist seit Februar nichts passiert, obwohl für viele Mieter die Uhr tickt“, stellt Schulz erbost fest. „Für mich ist das eine politische Sauerei.“
In der Schöneberger Straße machte sich der Eigentümer ganz offenkundig die Mietsteigerungsmöglichkeiten gezielt zunutze, um die Mieter loszuwerden. Hier, in der Nähe des Potsdamer Platzes, dürfte man sicher Mieter finden, die durchaus bereit und in der Lage sind, mehr als 7 Euro pro Quadratmeter zu zahlen. Mit der Verweigerung der Anschlussförderung werden die Wohnungen denn auch von der Belegungsbindung freigestellt. Das heißt: Wohnungsinteressenten brauchen keinen Wohnberechtigungsschein mehr, sondern können auch mit einem höheren Einkommen einziehen.
Standorte, die für Fantasie sorgen
Gerade in Kreuzberg, wo im Rahmen der Internationalen Bauausstellung (IBA) in den 80er Jahren über 2200 Sozialwohnungen gebaut wurden, ist die Verdrängungsgefahr für die Sozialmieter groß. Die einst im Schatten der Mauer gelegenen, heute aber zentralen Wohnanlagen regen die Fantasie der Immobilienverwerter an. Im Block zwischen Kochstraße, Wilhelmstraße und Zimmerstraße wurden die Mieten auf 8 Euro angehoben und im Karree Oranien-/Linden-/ Feilnerstraße werden Sozialwohnungen unter dem Namen „Feilnerhöfe“ sogar als Eigentums-Appartments verkauft, und zwar zu stolzen Preisen von 1900 bis 2100 Euro pro Quadratmeter.
„Das stadtentwicklungspolitische Ziel kann nicht sein, dass der innerstädtische Bereich den Einkommensstarken vorbehalten bleibt und die Einkommensschwachen an den Rand gedrängt werden“, kritisiert Bürgermeister Schulz die Haltung des Senats. Stadtentwicklungssenatorin Junge-Reyer stellt zwar auch „eine Sicherung stabiler Nachbarschaften, die weder durch soziale Verdrängung noch durch soziale Entmischung charakterisiert sind“, als Entwicklungsziel für Kreuzberg dar, doch Schulz stellt fest, „dass der Senat einen beträchtlichen Beitrag zur Verdrängung leistet“.
Wer aufmuckt, der zahlt noch mehr
Die Anhebung der Ex-Sozialmieten bis in die astronomischen Höhen der Kostenmiete öffnet der Vermieterwillkür Tür und Tor. In der Schöneberger Straße haben drei türkisch- beziehungsweise arabischstämmige Mieter im April noch eine zweite Mieterhöhung auf 9,62 Euro pro Quadratmeter bekommen, andere aber nicht. „Das ist kein Zufall“, sagte Sebastian Jung, als er diese Diskriminierung öffentlich machte. Er sollte leider Recht behalten: Mitte Mai erhielt der Mietersprecher als einziger eine zweite Mieterhöhung zum 1. Juni – und zwar auf die volle Kostenmiete von 13,02 Euro. Gegenüber der Februar-Miete ist das eine Erhöhung um 144 Prozent. Damit wird der engagierte Mieter ganz offen und gezielt abgestraft. „Ich fühle mich in meinen Grundrechten verletzt“, sagt Jung erschüttert. „Ich kann nicht mehr frei meine Meinung sagen.“ Er will mit allen juristischen Mitteln dagegen vorgehen. Doch jetzt nicht zu kündigen und die erhöhte Miete zu verweigern, führt zu einem großen Kostenrisiko: Sollte er vor Gericht unterliegen, müsste er letztlich Tausende Euro an Miete nachzahlen.
Andere Sozialmieter sind deshalb vorsichtig geworden: „Fast jeder vermeidet, namentlich in der Presse genannt zu werden, da die derzeitige Rechtslage den Vermietern ermöglicht, die Miete willkürlich dem zu erhöhen, der ihm nicht passt“, sagt eine Mieterin aus der Kreuzberger Wohnanlage Charlottenstraße 96-97 b. Hier hat der Vermieter die Miete um 50 Prozent auf 8,50 Euro pro Quadratmeter erhöht. In Verhandlungen mit dem Bezirksbürgermeister hat er zwar versprochen, nur eine Miete von 6 beziehungsweise 7 Euro geltend zu machen, aber dem noch keine Taten folgen lassen.
Mieter aus mehreren betroffenen Häusern haben sich inzwischen zum „Berliner Bündnis sozialmieter.de“ zusammengeschlossen, um gemeinsam „ein Stopp-Schild gegen die mieterfeindliche Vertreibungspolitik des Berliner Senats“ zu setzen.
„Wir haben hier eine immense Mieterschutzlücke“, sagt Reiner Wild vom Berliner Mieterverein. „Die Situation macht deutlich, dass wir neben einer Soforthilfe ein Mietenkonzept für alle Sozialwohnungen brauchen.“ Der Mieterverein fordert deshalb ein Berliner Wohnraumförderungsgesetz. Mit der Föderalismusreform hat der Bund die Zuständigkeit für die Gesetzgebung zum Sozialen Wohnungsbau an die Länder abgegeben. Berlin hat davon jedoch bisher keinen Gebrauch gemacht – jetzt ist es höchste Eisenbahn.
Jens Sethmann
Im Herbst 2009 bekam Dieter Bernhardt wie seine Nachbarn in der Akazienstraße 6 und in der Belziger Straße 13 eine Mieterhöhung um 100 Euro – eine Forderung, die der Invalidenrentner nicht aufbringen konnte. Die Vorstellung, seine Wohnung zu verlieren und aus Schöneberg wegziehen zu müssen, hat ihn sehr belastet. Er war schwer krank und hatte hier seine Ärzte und sein soziales Umfeld. Zusammen mit seinen Nachbarn organisierte er am Ostersamstag eine Protestaktion auf der Akazienstraße, wurde Mitbegründer des Bündnisses sozialmieter.de, trat im Lokalfernsehen auf und ergriff bei Versammlungen das Wort. Er wies immer wieder darauf hin, dass es nicht um ein Dach über dem Kopf, sondern um das Zuhause geht. Dieter Bernhardt sagte im März im Sender TV.Berlin: „Ich frage mich: Für wen wird hier eigentlich in Berlin noch Politik gemacht, wenn ich mir überlege, dass Junge-Reyer und der Senat für selbst verschuldete und verkorkste Grundstücksgeschäfte mal so 20 Millionen hinblättern, und die Mieter werden abgespeist mit Umzugsbeihilfen.“ Er litt auch darunter, dass die Solidarität der Hausbewohner mit der Zeit zu bröckeln begann. „Die Mieter stehen wie die Kaninchen vor der Schlange“, sagte Dieter Bernhardt am 28. April auf einer Pressekonferenz. „Ist die Wohnung bedroht, dann ist die Existenz bedroht.“
Vier Tage später, am 2. Mai, nahm sich der 51-Jährige das Leben. Wie das Bündnis sozialmieter.de mitteilte, geht aus einem Abschiedsbrief hervor, „dass Dieter Bernhardt den Freitod deshalb wählte, weil er die Gefühlskälte und Gleichgültigkeit nicht mehr ertragen konnte, mit der die politisch Verantwortlichen Berlins den Menschen in dieser Stadt begegnen würden, die vom Verlust ihrer Wohnungen und ihres Lebensumfelds bedroht sind“.
Ein Anwaltsschreiben vom 4. Mai, in dem die Mieter der Akazienstraße 6 und Belziger Straße 13 aufgefordert wurden, die erhöhte Miete sofort und ohne Vorbehalt zu zahlen, musste Dieter Bernhardt nicht mehr öffnen.
js
Die Beendigung der Anschlussförderung im Sozialen Wohnungsbau war ein überfälliger Schritt und wurde von nahezu allen Seiten begrüßt – auch vom Berliner Mieterverein (BMV). Das zugrunde liegende Fördersystem hatte in Berlin absurde Formen angenommen und den Landeshaushalt mit enormen Kosten belastet. Der BMV warnte aber auch vor den Folgen, die den Sozialmietern durch den Ausstieg drohen.
Das Prinzip des Sozialen Wohnungsbaus ist einfach: Um „breite Schichten der Bevölkerung“ mit zeitgemäßem Wohnraum zu versorgen, förderte der Staat den Bau von Wohnungen. Die Bauherren verpflichteten sich als Gegenleistung für die erhaltenen Fördergelder dazu, die Mieten nicht über die sogenannte Kostenmiete steigen zu lassen. Diese wurde aus allen Kosten, die zur Erstellung eines Gebäudes anfallen, errechnet. Weil aber durch gleichsam mafiöse Strukturen im West-Berliner Bausumpf der 70er und 80er Jahre die Preise künstlich hochgetrieben wurden, liegt die Kostenmiete in der Regel bei über 12 Euro pro Quadratmeter, der Berliner Spitzenwert beträgt sogar 21 Euro. Die Mieter aber zahlten seinerzeit eine deutlich niedrigere Sozialmiete, die beispielsweise im Jahr 1987 vom Senat auf umgerechnet 3 Euro pro Quadratmeter festgelegt wurde. Die Differenz zur Kostenmiete trug die öffentliche Hand.
Die Förderung der Sozialwohnungen wurde für 15 Jahre gewährt. Nach dieser Grundförderung war eine Anschlussförderung über weitere 15 Jahre gängige Praxis – bis der Senat beschloss, diese grundsätzlich nicht mehr zu gewähren. Mehrere Eigentümer, die in ihren Kalkulationen fest mit einer Anschlussförderung gerechnet hatten, haben erfolglos versucht, weitere Zahlungen einzuklagen. Eine ganze Reihe von Eigentümern, oft Fonds, sind daraufhin in die Insolvenz gegangen.
Allerdings: Ein Eigentümer, dem die Anschlussförderung verweigert wird, kann sofort von den Mietern die Kostenmiete verlangen. Weil im Sozialen Wohnungsbau das Vergleichsmietensystem nicht gilt, hat der Mietspiegel hier keine Bedeutung. Der Eigentümer kann die Miete sogar sehr kurzfristig erhöhen, nämlich bis zum 15. eines Monats mit Wirkung ab dem nächsten Ersten. Die Mieter haben in diesem Fall nur ein Sonderkündigungsrecht, das sie bis zum dritten Werktag nach dem Inkrafttreten der Mieterhöhung ausüben müssen. Sie haben im ungünstigsten Fall also nur zweieinhalb Wochen Zeit zu überlegen, ob sie bleiben oder ausziehen wollen. Wenn sie kündigen, müssen sie zum Ende des folgenden Monats, also innerhalb von knapp zwei Monaten, die Wohnung räumen. Wenn der Mietvertrag eine entsprechende Klausel enthält, kann die Miete sogar rückwirkend ab dem 1. Januar des Vorjahres erhöht werden. Im schlimmsten Fall kann man Sozialmietern also mit einem Schlag den Erhöhungsbetrag von bis zu 23 Monaten in Rechnung stellen.
Die Verweigerung der Anschlussförderung betrifft alle Sozialwohnungen, die nach 1987 fertiggestellt wurden. Für die früheren Baujahrgänge sind im Jahr 2003 sowohl die Grund- als auch die Anschlussförderung schon bewilligt worden. Betroffen sind insgesamt fast 28.000 Sozialwohnungen. Davon sind heute schon über 16.000 aus der Förderung entlassen. Bei den übrigen 11.000 wird in den nächsten Jahren die Anschlussförderung verweigert. Bis 2013 wird fast überall die Grundförderung ausgelaufen sein, weil ab 1997 der Soziale Wohnungsbau quasi eingestellt wurde. Wohnungen, die mit der vereinbarten Förderung – im sogenannten zweiten Förderweg – errichtet wurden, sind vom Wegfall der Anschlussförderung nicht betroffen.
js
MieterMagazin 6/10
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Von teilweise untragbaren Mietsteigerungen betroffen sind Gebäude und Wohnanlagen
in der Oranienstraße …
Am Tempelhofer Berg …
in der Lynarstraße …
in der Zimmerstraße …
und in der Charlottenstraße
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Berliner Bündnis sozialmieter.de
im Internet unter:
www.sozialmieter.de
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30.01.2017