Der Klimawandel und die demografische Entwicklung stellen die Wohnungspolitik vor große Herausforderungen. Der Deutsche Mieterbund setzt sich dafür ein, dass die finanziellen Lasten dafür nicht allein von den Mietern getragen werden müssen. Dafür sucht der DMB breite Bündnisse – auch mit ungewöhnlichen Partnern.
Die wichtigste Aufgabe der nächsten Jahre ist die energetische Modernisierung des Wohnungsbestandes. Dass Energie eingespart werden muss, bezweifelt heute niemand mehr. Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2020 den Wärmebedarf um 20 Prozent zu reduzieren und bis 2050 einen nahezu klimaneutralen Gebäudebestand zu schaffen. Die Sanierungsquote für Wohnimmobilien müsste sich dazu verdoppeln. Die Frage, wer das bezahlen soll, ließ die Regierungskoalition jedoch bislang unbeantwortet. „Die umfassende energetische Modernisierung kann weder über eingesparte Heizkosten noch über Mieterhöhungen finanziert werden“, sagte DMB-Präsident Franz-Georg Rips Anfang April auf dem Landesverbandstag der sächsischen Mietervereine in Leipzig. „Öffentliche Förderung, beispielsweise über das CO2-Gebäudesanierungsprogramm, ist unverzichtbar.“
Gerade dieses Förderprogramm hat die Bundesregierung auf ein Fünftel des Volumens von 2009 gestutzt. „Wer die Verdoppelung der Sanierungsquote will, muss auch die Fördermittel verdoppeln“, fordert Rips. Es wären 3 bis 5 Milliarden Euro notwendig, um ausreichende Investitionsanreize für Modernisierungsmaßnahmen zu geben und gleichzeitig die Mieten bezahlbar zu halten. Statt dessen zieht das Bundesjustizministerium Gesetzentwürfe zur Beschneidung der Mieterrechte aus dem Hut, und es wird ernsthaft über eine Abrissprämie für ältere Häuser diskutiert.
Nachdem der Wohnungsneubau jahrelang in der Talsohle fest hing, gibt es in vielen Ballungsräumen eine Wohnungsknappheit. Vor allem in den Großstädten sind die Mieten in der letzten Zeit spürbar angestiegen. Die Neuvertragsmieten liegen heute zwischen 20 und 40 Prozent über den Bestandsmieten. „Hier muss die Politik eingreifen und der Entwicklung etwas entgegensetzen“, sagt Rips. Der DMB fordert verbesserte Förderungen und steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten für den Wohnungsneubau.
Es fehlen insbesondere altengerechte Wohnungen. In 15 Jahren werden in einem Viertel aller Haushalte Menschen leben, die über 70 Jahre alt sind. Zurzeit sind aber nur zwei Prozent des Wohnungsbestandes barrierefrei oder barrierearm. „Wir brauchen jährlich 100 000 zusätzliche altengerechte Wohnungen in Deutschland – gleichgültig, ob durch Neubau oder Umbau und Nachrüstung“, so der DMB-Präsident. Die Politik muss dazu Anreize bereitstellen, um die drohende „graue Wohnungsnot“ abzuwenden.
»Note „mangelhaft“ für Schwarz-Gelb«
Die Abwehr der mieterfeindlichen Vorstöße der seit eineinhalb Jahren regierenden schwarz-gelben Koalition wird die organisierte Mieterschaft noch eine Zeit lang beschäftigen. Die Streichung des Heizkostenzuschusses zum Wohngeld, die mögliche Pauschalisierung der Hartz-IV-Unterkunftskosten und die Kürzung des Programms Soziale Stadt trifft die Schwächsten der Gesellschaft. „Sparen, kürzen, runterfahren ist das aktuelle Motto“, kritisiert Rips. „Das wohnungspolitische Zwischenzeugnis für diese Bundesregierung nach anderthalb Jahren lautet: mangelhaft.“
Mit der Kritik steht der Mieterbund nicht allein da. Um seinen Forderungen mehr Gehör zu verschaffen, geht der DMB Bündnisse mit Gewerkschaften, Verbraucherschutzorganisationen und Kommunalverbänden ein, aber auch mit Verbänden der Wohnungsunternehmen und der Bauwirtschaft. So wurde Anfang des Jahres zur Rettung des Programms „Soziale Stadt“ zusammen mit dem Deutschen Städtetag, dem Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen GdW, der Arbeiterwohlfahrt, der Schader-Stiftung und dem vhw Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung das „Bündnis für eine Soziale Stadt“ gegründet. Gegen die Kürzung des CO2-Gebäudesanierungsprogramms, der KfW-Fördermittel und der Städtebauförderung protestiert der DMB gemeinsam mit 60 Verbänden, die sich zum „Pakt für Klimaschutz“ zusammengeschlossen haben.
Nach der Atomkraftwerkskatastrophe von Fukushima fordern nun nicht mehr nur SPD, die Grünen und die Linke, sondern auch die Koalitionsfraktionen eine verstärkte Förderung energetischer Sanierungsmaßnahmen. DMB-Direktor Lukas Siebenkotten begrüßt das Einsehen der Bundesregierung. „Wir erwarten, dass sich die im Bundestag vertretenen Parteien zusammensetzen, um vernünftige, parteiübergreifende Zielvorgaben für die energetische Gebäudesanierung zu erarbeiten, und ein Konzept vorlegen, das die Finanzierung entsprechender Modernisierungsmaßnahmen mit einschließt“, fordert Siebenkotten. „Es muss Schluss sein mit kleinlichem Parteienstreit. Wir brauchen jetzt verlässliche Rahmenbedingungen.“ Die Zeit drängt und der Mieterbund wird mit seinen 1,24 Millionen Mitgliedern weiter ordentlich Druck machen.
Jens Sethmann
MieterMagazin 6/11
Zur Themenübersicht dieses Extra zum Deutschen Mietertag 2011
Das Thema Wohnen ist infolge einer Mangellage und explodierender Mietpreise in den Ballungsgebieten erneut auf der politischen Tagesordnung
Foto: Christian Muhrbeck
Der jetzige DMB-Präsident Franz-Georg Rips war lange Bundesdirektor der Mieterorganisation und steht für eine Professionalisierung an der Spitze des Mieterbundes
Foto: Christian Muhrbeck
Von der Politik fordert der DMB verlässliche Rahmenbedingungen für die energetische Sanierung (hier: der ehemalige Bundesbau- minister Tiefensee 2006 anlässlich einer Aktion für sein CO2-Gebäude- sanierungsprogramm
Foto: MieterMagazin-
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13.06.2018