Politische Interessenvertretung, Solidargemeinschaft der Mieter sowie Beratungs- und Dienstleistungsorganisation – diese selbst verordnete Rollenbeschreibung findet man in den Präsentationen und Satzungen der Vereine im Deutschen Mieterbund (DMB) – ein anspruchsvolles Programm, das sie neben Gewerkschaften, Verbraucherorganisationen, Parteien, Rechtsschutzversicherungen und zahlreiche andere Anbieter im Rechtsberatungssektor stellt. Kann die bunt schillernde und vielfältige Mietervereinslandschaft diese Rollenvielfalt erfolgreich ausfüllen? Zu den wenigen Mitteln der Erfolgskontrolle gehört die Mitgliederentwicklung. Kein Wunder, dass rückläufige Mitgliederzahlen immer wieder Selbstverständnis- und Zieldiskussionen ausgelöst haben. Ein kurzer Rückblick auf die jüngste und – so hoffen viele – nachhaltigste Selbstverständnisdiskussion.
Die DMB-Vereine dürfen „kein Dienstleister wie alle anderen Service-Organisationen im Rechtsberatungsbereich“ werden. Wenn sie das wären, hätten sie – so der Präsident des DMB, Franz-Georg Rips – ihr „Alleinstellungsmerkmal“ verloren. Das Vertrauenskapital einer nicht-gewinn-orientierten Interessen- und Solidargemeinschaft der Mieter wäre verspielt. Auch wenn kein Verein im Deutschen Mieterbund dieser Aussage widersprechen würde, ist die konkrete Mischung von Service und Interessenvertretung bei den örtlichen Vereinen sehr unterschiedlich. Verbindliche Standards gibt es für die selbstbestimmte Mischung auf lokaler Ebene nicht. Seit mehr als 100 Jahren muss jeder Ortsverein sein eigenes Profil bestimmen. Nicht alle Vereine sind dabei erfolgreich.
»Wettbewerb und neue Kommunikationskanäle erfordern Reflexion«
Als es um das Jahr 2005 stagnierende und leicht rückläufige Mitgliederzahlen in der Gesamtorganisation gab, begann im DMB eine Selbstverständnisdiskussion, die zur Einsetzung einer „Zukunftskommission“ führte. „Der Wettbewerbsdruck am Beratungsmarkt hat allein durch die ständig steigende Zahl von Rechtsanwälten zugenommen. So berichtet die Financial Times Deutschland vom 31. März 2006, dass aus knapp 60 000 Rechtsanwälten Ende 1990 mittlerweile rund 140 000 geworden sind. Kein anderer freier Beruf könne ein solches Wachstum vorweisen.“ So beschreibt es ein internes Papier der Zukunftskommission, das an vielen Stelle nicht mit Selbstkritik an schlechter Erreichbarkeit und teilweise unprofessionellen Leistungen örtlicher Vereine spart.
Die objektiven Rahmenbedingungen für die Mieterarbeit haben sich in den letzten Jahrzehnten nicht nur aufgrund der gestiegenen Juristenzahlen verändert. Das Telefon, das in den 60er Jahren nur in den Wohnungen der gut situierten Mittel- und Oberschicht einen Stammplatz hatte, ist mittlerweile in nahezu 100 Prozent der Haushalte vertreten. Gleichzeitig wurde die Kommunikation über Handy und Internet mobil. Wer selbst fast lückenlos und ortsunabhängig per Mobilfunk und Internet erreichbar ist, erwartet dies auch von seinen Beratern – allzumal Problemlagen im Wohnbereich meist sehr teuer und manchmal – wie im Fall einer Kündigung – existenziell sein können.
„Der Erwartung, dass die Rechtsberater mindestens zwischen 9 und 18 Uhr verfügbar sind, müssen wir Rechnung tragen – dafür zahlen die Mitglieder ihren Beitrag“, so der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild. Den Direktor des DMB, Lukas Siebenkotten, hat dies veranlasst, organisatorische Hilfen für kleine Vereine bereit zu stellen, die eine durchgängige Erreichbarkeit per Telefon nicht ohne Hilfe von außen sicher stellen können. „Der Grundsatz ist: Was man nicht alleine hinbekommt, kann man durch Zusammenarbeit mehrerer Vereine und über intelligente Telefonnetzwerke schaffen.“ Dem Bundesdirektor schwebt eine baldige flächendeckende Absicherung von Mindeststandards vor, die „von einer Qualitätsmarke wie dem DMB schließlich erwartet wird“.
In der vielfältigen und autonom organisierten Vereinslandschaft des DMB ist dies keine ganz einfache Aufgabe. Nicht nur die Erreichbarkeit, auch die Palette der Beratungsangebote und -formen reicht von Anbietern, die Telefon-, persönliche und E-Mail-Beratung gleichmäßig mischen bis hin zu Vereinen, die nur persönlich oder überwiegend telefonisch beraten. Nicht nur Siebenkotten bezweifelt, dass das jeweilige Beratungsangebot ausnahmslos sämtliche Kundenwünsche berücksichtigt. Aber: „Nicht die Mitglieder haben sich nach uns, sondern wir haben uns nach den Mitgliedern zu richten.“ Die im DMB organisierten Vereine haben die Botschaft mehrheitlich gehört und befinden sich, so Siebenkotten, auf einem guten Weg und bei schnellen Fortschritten. Das müssen sie auch, denn gute Dienstleistung stärkt auch das politische Selbstbewusstsein und die Durchsetzungsfähigkeit der Mieterbewegung. Und die wird zurzeit wieder dringend benötigt.
Armin Hentschel
MieterMagazin 6/11
Zur Themenübersicht dieses Extra zum Deutschen Mietertag 2011
Politisches Engagement wird bei den lokalen Mietervereinen Deutschlands in sehr unterschiedlicher Ausprägung gepflegt (hier: Delegiertenversammlung 1999 des Berliner Mietervereins)
Foto: MieterMagazin-Archiv
Das Internet hat Tempo und Verfügbarkeit von Mietervereinsdienstleistungen in den letzten Jahren stark geprägt
Foto: Maik Jespersen
Die Angebotspalette bestimmt jeder Mieterverein für sich: Hoch im Kurs steht nach wie vor die persönliche Beratung durch Mietrechtsexperten
Foto: Maik Jespersen
02.04.2013