Hunderte von Lichtenberger Mietern wurden Mitte April von ihrer Hausverwaltung aufgefordert, sich umgehend eine neue Wohnung zu suchen, weil ihr Vermieter seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt und daher Strom und Wasser abgestellt werden sollen. Ein absurdes Ansinnen, das aber einen ernsten Hintergrund hat.
Mit dem Schreiben der „Gratus Immobilienservice GmbH“ wurden die Mieter der Hauptstraße 51-57 in Lichtenberg darüber informiert, dass der Eigentümer, die „Palu Suisse AG“ beziehungsweise deren Rechtsnachfolger „Reloni“ Insolvenz angemeldet habe. Aufgrund der Zahlungsrückstände wollen der Stromlieferant Vattenfall sowie die Wasserbetriebe demnächst die Versorgung einstellen. Ein gleichlautendes Schreiben ging an die Mieter der Ruschestraße 3/5. Schon seit Jahren leiden die Mieter des Unternehmens Palu Suisse unter schlimmen Wohnbedingungen. Wochenlang lebten sie ohne warmes Wasser. „Die Nichtbegleichung fälliger Rechnungen scheint Geschäftsmodell bei Palu Suisse zu sein“, sagte der damalige Baustadtrat Andreas Geisel (SPD) der „Berliner Woche“ (Ausgabe vom 6. Januar 2010).
„Es ist ein Horror, wie kann man so mit Menschen umgehen?“, meint eine 67-Jährige. Sie ist schwerstbehindert und findet keine andere Wohnung zu diesem Preis. Doch während das Bezirksamt in der Vergangenheit wiederholt in Ersatzvornahme getreten ist und die Rechnungen bezahlt hat, will der neue Stadtrat für Stadtentwicklung, Wilfried Nünthel (CDU), die Mieter offenbar hängen lassen. „Die Leute wissen seit Jahren Bescheid – wer immer noch da wohnt, weil er den Kiez nicht verlassen will, ist selber schuld“, argumentiert sein Referent Fabian Peter. Man werde nur vorübergehend einspringen – Schluss“.
Diese Haltung löste beim Berliner Mieterverein Empörung aus: „Die Mieter haben schließlich die Miete mitsamt der Nebenkosten bezahlt, eine Insolvenz ist kein Kündigungsgrund“, betont BMV-Rechtsberater Volker Hegemann. Der Bezirk sei in solchen Fällen im Rahmen der Daseinsfürsorge verpflichtet, in Vorleistung zu treten.
Doch das letzte Wort scheint noch nicht gesprochen zu sein. Nach Redaktionsschluss des MieterMagazin befasste sich der Sozialausschuss der Bezirksverordnetenversammlung mit dem Fall. Eine gute Lösung wäre, wenn die Wohnungsbaugesellschaft Howoge, die die Häuser damals an die Palu Suisse veräußert hat, sie einfach wieder zurückkaufen würde.
Birgit Leiß
MieterMagazin 6/12
Die Mieter sollen ausziehen, weil der Vermieter seinen Verpflichtungen nicht nachkommt: „Palu Suisse“-Haus in der Lichtenberger Hauptstraße
Foto: Birgit Leiß
19.03.2013