Bezahlbare Wohnungen im Neubau – wie soll das gehen? Während der Senat die Frage umschifft und in seinem „Stadtentwicklungsplan Wohnen“ soziale Aspekte weitgehend ausklammert, werden zwei Bezirke aktiv. Lichtenberg und Friedrichshain-Kreuzberg verlangen von bauwilligen Investoren einen bestimmten Anteil an preiswerten Wohnungen.
Das Lichtenberger „Bündnis für Wohnen“ wurde im Dezember 2012 zwischen dem Bezirksamt, der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Howoge, den Genossenschaften WGLi und „Neues Berlin“ sowie fünf privaten Bauunternehmen geschlossen. Sie verpflichten sich, „attraktives und bezahlbares Wohnen in Berlin-Lichtenberg aktiv zu gestalten“. Zur Mietenbildung im Neubau lautet der zentrale Passus des Bündnisses: „Circa 10 Prozent der Wohnungen sollten gemäß der Miethöhe ALG-II-fähig sein und rund 20 Prozent der Wohnungen in Anlehnung an den Mietspiegel ausgerichtet werden.“ Das erste größere Vorhaben, das nach dieser Maßgabe errichtet wird, ist ein Projekt der Howoge in Karlshorst. Auf einem 2,7 Hektar großen ehemaligen Hochschulgelände an der Treskowallee sollen rund 400 Wohnungen entstehen. Das vordere Gebäude aus den 50er Jahren wird saniert, die dahinterliegenden Studentenwohnheime, die seit 18 Jahren leer stehen, werden abgerissen und durch Neubauten ersetzt. Die Nettokaltmieten der Eineinhalb- bis Vierzimmerwohnungen bewegen sich in der Spanne von 7,00 bis 10,50 Euro pro Quadratmeter.
Die Ausstattung bestimmt den Preis
Die Howoge plant zwei verschiedene Ausstattungsstandards, die für die Miethöhe ausschlaggebend sein sollen. „Diese werden nicht auf einzelne Etagen oder Gebäudetrakte konzentriert, sondern verteilen sich über den gesamten Bestand“, erläutert Howoge-Sprecherin Annemarie Rosenfeld. Bezirksbürgermeister Andreas Geisel ist voll des Lobes: „Der Handlungsbedarf, der durch den Bevölkerungszuwachs der Region entsteht, wird durch das Vorhaben der Howoge mustergültig umgesetzt.“
Deutlich günstigere Mieten will der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg auf dem sogenannten Freudenberg-Gelände erreichen. Das 3,5 Hektar große, inzwischen komplett abgeräumte Industriegelände zwischen Boxhagener, Holtei- und Weserstraße will der Eigentümer „Bauwert“ mit bis zu 550 Wohnungen bebauen. Der Bezirk erarbeitet zurzeit einen Bebauungsplan und beabsichtigt, mit dem Investor einen städtebaulichen Vertrag abzuschließen. Mit diesem Vertrag wird dem Eigentümer unter anderem zur Auflage gemacht, dass zehn Prozent der Wohnungen zu einer Nettokaltmiete von 5,50 Euro pro Quadratmeter angeboten werden. „Ich möchte nicht darauf verzichten, dass wir einen bestimmten Anteil von Wohnungen bekommen, in den auch ein Hartz-IV-Bezieher einziehen kann“, sagte Bezirksbürgermeister Franz Schulz auf einer Diskussionsveranstaltung über die Pläne für das Freudenberg-Areal.
„Bauwert“ ist in Berlin vor allem für luxuriöse Wohnbauprojekte wie die „Kronprinzengärten“ in Mitte bekannt. Ganz so hochwertig soll es in Friedrichshain nicht werden. „Wir bauen hier keine Luxuswohnungen“, erklärt Bauwert-Geschäftsführer Jürgen Leibfried. Die Nettokaltmieten sollen hier allgemein zwischen 8,00 und 13,50 Euro pro Quadratmeter liegen. Leibfried ist zu finanziellen Einbußen bereit, um bei einem Zehntel der Wohnungen die Mieten zu deckeln: „Wir legen 4,5 Millionen Euro hin, damit 50 Menschen für 5,50 Euro wohnen können.“
Der Anteil der auf den Weg gebrachten preiswerten Wohnungen ist zwar klein – besser als gar nichts ist es jedoch allemal.
Jens Sethmann
MieterMagazin 6/13
Mit gutem Beispiel voran: Howoge-Bauplatz in Karlshorst, Freudenberg-Gelände in Friedrichshain
Fotos: Daniel Schaub
Rat und Tat
Verhandlungen statt Fördermillionen
Wohnungsneubau steht ganz oben auf der Agenda des Stadtentwicklungssenators Michael Müller. Doch Neubau ist teuer und seit mehr als einem Jahrzehnt gibt es in Berlin keinerlei Wohnungsbauförderung mehr, die zu sozial verträglichen Mieten führen würde. Während der Senat monatelang über eine Neuauflage der Wohnungsbauförderung gestritten und so wertvolle Zeit vertändelt hat, begannen die Bezirke zu handeln. Um Wohnungsbauinvestoren einen Anteil an bezahlbaren Wohnungen abzuringen, sind sie auf den Verhandlungsweg angewiesen. Die finanziell klammen Bezirke können den Investoren nur schnelle Baugenehmigungen als Gegenleistung bieten. Für diese Aussicht sind viele Bauherren aber durchaus zu Zugeständnissen bereit.
js
18.08.2013