Ein volles Haus, ein neues Vorstandsmitglied, eine kleine Erfolgsbilanz und ein Auftrag zu weiterem Engagement – so könnte man die Schlagzeilen der diesjährigen Delegiertenversammlung des Berliner Mietervereins im Friedrichshainer Tagungszentrum Palisade zusammenfassen.
Der Gast und Hauptredner des Abends, der Bundesdirektor des Deutschen Mieterbundes (DMB), Lukas Siebenkotten, schickte ein „Lob, dass Sie jetzt ertragen müssen“ für das außerordentliche Engagement des BMV in Land und Bund vorweg. Zudem habe ihn der mitgliederstärkste und politisch aktivste Mieterverein im DMB als Hauptredner eingeladen, um über die Zwischenergebnisse der geplanten Mietrechtsreform zu berichten. Das Vorhaben, an dem die Große Koalition derzeit arbeitet, umfasst neben der Einführung des sogenannten Bestellerprinzips bei Maklercourtagen, der Absicht, den Sozialen Wohnungsbau zu stärken und den Mietspiegel „auf eine breitere Basis zu stellen“ vor allem die „Mietpreisbremse“. Das Wort steht für die beabsichtigte Begrenzung der Mieten bei Abschluss eines neuen Mietvertrags nach Freiwerden einer Wohnung und stammt – so Siebenkotten – „nicht von uns“, gleichwohl aber das Ansinnen selbst. Vorgesehen ist das Inkrafttreten des Gesetzes für Januar 2015. Während es für die „breitere Basis für künftige Mietspiegel“ an einer Konkretisierung mangele und in puncto Wohngeldanpassung und Förderung des Sozialen Wohnungsneubaus nur vage Absichtserklärungen gäbe, denen eine finanzielle Unterfütterung fehle, setzt die Mietpreisbremse an der wichtigsten Stelle des derzeitigen Mietenanstiegs an. An den Details der Reform werde noch gearbeitet, und es seien Mängel und Schlupflöcher in der Ausgestaltung zu befürchten, aber in jedem Fall sei es der richtige Weg, und der ist laut Siebenkotten nicht vom Himmel gefallen, sondern von den Mieterorganisationen erkämpft worden.
Eine Bewertung, an die auch der Vorsitzende des Berliner Mietervereins, Edwin Massalsky, in seinem politischen Bericht zum Geschäftsjahr anknüpfte. „Nichts entmutigt die Mitglieder mehr als eine Organisation, die immer nur redet und nichts erreicht.“ In diesem Sinne verwies Massalsky in seinem Bericht auf Erfolge beim Erlass des Zweckentfremdungsverbots, beim verbesserten Schutz gegen Eigenbedarfskündigung und bei Rahmenvereinbarungen für eine sozial orientierte Modernisierung. Dies alles könne aber nicht über große Defizite hinwegtäuschen, auf die vor allem der anschließend beschlossene Leitantrag hinweist: Die Notwendigkeit einer Aufstockung der Wohnungsbauförderung auf mindestens 100 Millionen Euro jährlich, um soziale Bindungen zu sichern und die Verpflichtung privater Investoren, mindestens ein Drittel der Wohnungen preis- und belegungsgebunden anzubieten. Die vom Vorsitzenden Massalsky geforderte Abschaffung des „historisch, rechtlich und politisch überlebten § 559 BGB, der die Miethöhe nach Modernisierung betrifft“, wurde in der folgenden Diskussion aufgegriffen. Es könne nicht sein, so ein Diskussionsteilnehmer, dass Mieter die tatsächlichen Kosten einer Modernisierung im Laufe der Jahre mehrfach bezahlen, hier bedarf es endlich einer anderen Regelung.
Die Bilanz des BMV-Geschäftsführers Reiner Wild zum Geschäftsjahr fiel positiv und mahnend zugleich aus. Mit 10.000 Neumitgliedern, 73.000 persönlichen und telefonischen Beratungen sowie 15.000 Beratungsfällen in der Geschäftsstelle habe man eine vorzeigbare Leistungsbilanz. Die Beratungsschwerpunkte spiegelten die Wohnungsmarktrealität wider, da es jetzt vorrangig um Miethöhe, Modernisierung und Umwandlung gehe. Die Internetseite, die derzeit überarbeitet werde, wurde 2013 von 2,2 Millionen Besuchern genutzt. Wild hielt sich neben seinen Positivmeldungen jedoch nicht mit selbstkritischen Anmerkungen zur Organisationsentwicklung zurück. Es mache ihm Sorgen, dass das Mitgliederwachstum ganz überwiegend nur von fünf Bezirken getragen werde. Auch wenn dahinter die Problematik sehr unterschiedlicher Teilwohnungsmärkte liege, müsse man in den restlichen Bezirken an einer deutlich verbesserten Präsenz und Beratung arbeiten.
Vorstandsmitglied Dr. Regine Grabowski hielt ein engagiertes Plädoyer für eine Beteiligung an der Europawahl und lud zu einer Veranstaltung der Sozial- und Wohlfahrtsverbände ein, zu denen neben dem DGB auch der Berliner Mieterverein aufruft. Gerade angesichts der Gefahren eines bürokratisierten Europas der Märkte und des freien Kapitalverkehrs könne man den demokratischen Kern des Staatenbundes nur dann stärken, wenn man dessen Kompetenzen ausweite.
Nach der Entlastung des alten BMV-Vorstands wurde es noch einmal spannend, weil Neuwahlen anstanden. Für das Amt des aus gesundheitlichen Gründen ausscheidenden Schatzmeisters Eugen Koch gab es zwei Kandidaten. Neben dem Rechtsanwalt Dr. Rainer Tietzsch, den der Vorstand als Kandidaten empfohlen hatte, stellte sich Jürgen Wilhelm als bekennender Spandauer, („wohlgemerkt: nicht aus Berlin“) zur Wahl. Nach der Vorstellung der beiden Kandidaten war die Alternative konturiert. Mit Dr. Rainer Tietzsch stand ein Mietrechts- und Planungsrechts-Experte zur Wahl, der sich seit Mitte der 80er Jahre auf Mieterseite unter anderem zum Milieuschutz und zur Sanierung profiliert hatte, den Mitgliedern aber wenig bekannt war. Auf der anderen Seite stand mit dem Spandauer BMV-Bezirksleiter Jürgen Wilhelm ein eloquenter, fachlich qualifizierter Streiter als Kandidat zur Verfügung, der den meisten Delegierten aus früheren Versammlungen in Erinnerung war. Das Ergebnis fiel mit 64 zu 50 für Dr. Rainer Tietzsch letztendlich doch eindeutig aus. Wiedergewählt wurden mit überwältigender Mehrheit der Vorsitzende Edwin Massalsky und Dr. Regine Grabowski als Schriftführerin.
Die anschließende Abstimmung über den Leitantrag von Beirat und Vorstand und die Anträge aus verschiedenen Bezirken verlief konzentriert und zügig. Eine Reihe von Empfehlungen zur Verbesserung der organisatorischen Vor- und Nachbereitung der Delegiertenversammlung und der Berichterstattung im MieterMagazin waren so konsensfähig, dass sie überwiegend mit großer Mehrheit angenommen wurden. Ergänzend zu den Zielen des Leitantrags soll der frisch gewählte BMV-Vorstand im Bund für eine Rücknahme der Verschlechterungen aus dem Mietrechtsänderungsgesetz von 2013 und in Berlin für eine Beendigung der Freistellung von Belegungsrechten im geförderten Wohnungsbau eintreten.
Armin Hentschel
MieterMagazin 6/14
Die Delegierten-versammlung des BMV: ein neugewählter Vorstand – Edwin Massalsky, Dr. Regine Grabowski, Dr. Rainer Tietzsch (oben), Hauptredner Siebenkotten vom DMB (Mitte) und eine engagierte Diskussion (unten)
Fotos: Nils Richter
02.06.2014