Erstmals seit eineinhalb Jahrzehnten fördert das Land Berlin wieder den Bau von Wohnungen. Es ist allerdings ein sehr bescheidener Wiedereinstieg in den Sozialen Wohnungsbau, den der Senat für die Jahre 2014 bis 2019 beschlossen hat. Denn von 1000 geförderten Neubauwohnungen pro Jahr kann man keinen mietpreissenkenden Effekt erwarten.
Mit einem Neubaufonds in Höhe von 320 Millionen Euro will der Senat in den nächsten fünf Jahren den Bau von Wohnungen fördern. Die Summe wird je zur Hälfte vom Bund und vom Land getragen. In jedem Jahr stehen 64 Millionen Euro zur Verfügung. Stadtentwicklungssenator Michael Müller möchte damit jährlich rund 1000 preisgünstige Wohnungen schaffen. Um die soziale Mischung zu erhalten und Haushalten mit geringem Einkommen das Wohnen in der Berliner Innenstadt zu ermöglichen, wird die Förderung vorrangig für Neubauten innerhalb des S-Bahn-Rings ausgegeben. In der Regel wird nur ein Teil der Wohnungen in einem Bauvorhaben gefördert. Bei größeren Projekten ab 50 Wohneinheiten soll der Förderanteil ein Fünftel bis ein Drittel der Wohnungen betragen. Auf diese Weise will man mit der Förderung von jährlich 1000 Wohnungen den Bau von insgesamt 3000 bis 5000 Wohnungen anstoßen.
Die Mieten der geförderten Wohnungen liegen anfangs zwischen 6 und 7,50 Euro pro Quadratmeter nettokalt, im Durchschnitt bei 6,50 Euro. Ein Drittel der 1000 Wohnungen eines Förderjahrgangs sollen zu einer Anfangsmiete bis zu 6 Euro pro Quadratmeter vermietet werden. Die Mieten dürfen alle zwei Jahre um 20 Cent pro Quadratmeter steigen. Die Wohnungen können von allen Wohnungssuchenden angemietet werden, deren Einkommen die Grenzen des Berliner Wohnberechtigungsscheines nicht übersteigt.
Die Förderung ist ein zinsloses Darlehen der Investitionsbank Berlin (IBB). Maximal werden 64.000 Euro pro Wohnung beziehungsweise 1200 Euro pro Quadratmeter ausgereicht. Der Bauherr muss das Darlehen in 20 Jahren tilgen. Die Rückzahlungen wird die IBB erneut als Förderdarlehen für zukünftige Wohnungsbauinvestitionen vergeben.
Die Bindung gilt 20 Jahre
Die Mietpreis- und Belegungsbindung der geförderten Wohnungen gilt ebenfalls 20 Jahre lang. In diesem Zeitraum werden die Mieten um zwei Euro pro Quadratmeter angehoben, im Schnitt werden sie also in 20 Jahren bei 8,50 Euro liegen. Nach den 20 Jahren gilt für die Bestandsmietverhältnisse eine Nachbindungsfrist von weiteren zehn Jahren: Während dieser Zeit dürfen die Mieten alle vier Jahre um maximal 15 Prozent erhöht werden, höchstens aber bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete. Bei Mieterwechseln entfällt die Sozialbindung bereits nach 20 Jahren komplett. Die öffentlichen Fördergelder bewirken also nur einen zeitlich eng begrenzten sozialen Nutzen für die Allgemeinheit.
Wegen des anhaltenden Bevölkerungswachstums braucht Berlin in nächster Zeit jedes Jahr etwa 10.000 zusätzliche Wohnungen. Von diesem Bedarf wird nur ein Zehntel durch eine Förderung in einem halbwegs preisgünstigen – aber noch lange nicht für alle bezahlbaren – Rahmen gehalten. An anderer Stelle fallen in Berlin bis 2019 rund 20.000 bestehende Sozialwohnungen aus der Mietpreis- und Belegungsbindung. Die Wohnraumförderung sei deshalb „nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein“, meint die grüne Stadtentwicklungspolitikerin Antje Kapek. Auch die baupolitische Sprecherin der Linken, Katrin Lompscher, kritisiert: „Öffentliches Geld in nur zeitweise sozial gebundene Wohnungen mit Anfangsmieten von durchschnittlich 6,50 Euro pro Quadratmeter zu investieren, ist keine langfristig angelegte soziale Wohnungspolitik.“
Der Berliner Mieterverein (BMV) hält die Neubauförderung für zu gering. Er hat jährlich mindestens 1500 bis 2000 neue, langfristig gebundene Mietwohnungen gefordert, deren Mietpreis bei 5,50 bis 7,50 Euro pro Quadratmeter liegt. Die Förderung müsste dazu von 64 Millionen auf über 100 Millionen Euro jährlich aufgestockt werden.
Im langen Streit darüber, wer in den Genuss der Förderung kommen soll, hat sich die SPD weitgehend gegen die CDU durchgesetzt. Die SPD wollte vor allem die städtischen Wohnungsunternehmen bevorzugen, während die CDU das Programm gleichermaßen auch für private Investoren öffnen wollte. Letzteres ist nun zwar nicht ausdrücklich ausgeschlossen, doch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung betont: „Erwartet wird, dass sich insbesondere Berlins städtische Wohnungsbaugesellschaften an dem Programm aktiv als Bauherren beteiligen.“ Für die Allgemeinheit ist dies ein Vorteil, weil das Land Berlin auch nach Ende des Förderzeitraums auf die Bewirtschaftung der Wohnungen Einfluss nehmen kann. Für private Investoren ist die Förderung nicht besonders attraktiv, weil das Zinsniveau am Kapitalmarkt ohnehin niedrig ist und die Sozialbindungen die Rendite schmälern.
Das erste Unternehmen, das eine Förderung beantragt hat, ist die städtische Degewo. An vier Standorten plant die Wohnungsbaugesellschaft den Bau von 274 Wohnungen, von denen 120 gefördert werden sollen. Anders als im Programm vorgesehen liegt nur eines der vier Projekte innerhalb des S-Bahn-Rings: 104 Wohnungen, davon 34 geförderte, entstehen an der Weddinger Graunstraße. Die übrigen Bauvorhaben sind nicht gerade zentral gelegen: 32 Förderwohnungen sind in der Ewaldstraße in Altglienicke geplant, in der Abram-Joffe-Straße in Adlershof sollen 91 Wohnungen – davon 31 mit Förderung – entstehen und in der Kaiser-Wilhelm-Straße in Lankwitz wird für 23 von 47 geplanten Wohnungen ein Förderdarlehen beantragt.
Mieterverein: Marktentspannung nicht in Sicht
Selbst wenn sich die anderen fünf städtischen Wohnungsbaugesellschaften in ähnlichem Umfang engagieren, wären erst 600 der angepeilten 1000 Förderwohnungen für dieses Jahr abgedeckt. Stadtentwicklungssenator Michael Müller ist dennoch zuversichtlich: „Ich bin mir sicher, dass dies ein Signal für viele weitere Investoren ist, denen beim Neubau von Wohnungen die soziale Durchmischung der Neubauquartiere ein wichtiges Anliegen ist.“
Neue Wohnungen werden in Berlin nach wie vor zum größten Teil im Hochpreis-Sektor und als Eigentumswohnungen errichtet. Nach Einschätzung des BMV sind von den bisher fertiggestellten Neubauwohnungen nur etwa 15 Prozent Mietwohnungen und maximal fünf Prozent sind für breite Schichten der Bevölkerung bezahlbar. „Der Neubau hat eine massive soziale Schieflage“, erklärt BMV-Geschäftsführer Reiner Wild. Die Knappheit auf dem Wohnungsmarkt lasse sich durch Neubau allein nicht wirksam beeinflussen. Dass eine spürbare Marktentlastung eintritt, die auch zu einer Senkung der Wiedervermietungsmieten führen würde, ist, so Wild, „nicht in Sicht“.
Jens Sethmann
MieterMagazin 6/14
Je weiter „draußen“, desto höher der Anteil geförderter Wohnungen: Bauplatz der Degewo in der Lankwitzer Kaiser-Wilhelm-Straße
Foto: Sabine Münch
Stadtentwicklungssenator Müller (2.v.l.) beim ersten Spatenstich zum WBM-Neubauprojekt in der Gärtnerstraße: Die Mieten liegen zwischen 7,50 und 12 Euro
Fotos: wbm
Degewo-Grundsteinlegung in der Friedrichshagener Karl-Frank-Straße: Die Netto-Mieten beginnen bei 8,90 Euro
Foto: degewo – Cathrin Bach
Rat und Tat
Und so hoch wird die Miete
Die sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften engagieren sich erst seit einem Jahr wieder im Neubau. Die ersten 52 Neubauwohnungen der Degewo an der Waldsassener Straße in Marienfelde wurden im Mai 2014 bezogen. Die städtischen Unternehmen planen in den nächsten fünf Jahren nach eigenen Angaben insgesamt rund 13.000 Wohnungen. Der größte Teil wird ohne Förderung gebaut. Welche Preise das zur Folge hat, kann man an den aktuellen Projekten ablesen. Die WBM hat im April mit dem Bau von 41 Wohnungen in der Friedrichshainer Gärtnerstraße begonnen. Im Schnitt verlangt sie 10,30 Euro pro Quadratmeter. Dabei fallen neun Wohnungen unter das „Mietenbündnis“ und kosten deshalb 7,50 Euro, die teuersten werden für stolze 12 Euro nettokalt vermietet. Bei einem Degewo-Projekt in der Friedrichshagener Karl-Frank-Straße mit ebenfalls 41 Wohnungen sollen die Nettokaltmieten zwischen 8,90 Euro und 11,50 Euro pro Quadratmeter liegen, im Durchschnitt bei 10,08 Euro. Die Ausstattung aller Wohnungen mit Massivparkett und Fußbodenheizung macht deutlich, dass bei der Planung die Bezahlbarkeit nicht die oberste Prämisse der Degewo war. Das Unternehmen Stadt und Land kalkuliert für seine 31 Neubauwohnungen, die zurzeit am Sterndamm in Johannisthal entstehen, mit Mieten zwischen 8,50 Euro und 10 Euro. Man überlegt aber, eine Förderung zu beantragen, damit ein Teil der Wohnungen für 6,50 Euro angeboten werden kann.
js
03.06.2014