Eine offizielle Statistik zu Zwangsräumungen in Berlin gibt es nicht. Doch eine kürzlich vorgelegte Studie belegt: Die Zahl der eingereichten Räumungsklagen ist mit rund 10 000 in den letzten Jahren nicht gestiegen – wohl aber die Bereitschaft der Vermieter, diese auch durchzusetzen.
Die Untersuchung des Instituts für Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität hat aus verschiedenen Daten – darunter parlamentarische Anfragen und gerichtliche Mitteilungen – die Zahl der Räumungen rekonstruiert. Demnach haben sich die angesetzten Räumungstermine von rund 5000 im Jahre 2009 auf 6777 im Jahre 2011 erhöht. Neuere Zahlen lagen den Erstellern der Studie nicht vor. Fast 20 Prozent aller Räumungen werden von den städtischen Wohnungsbaugesellschaften erwirkt.
Zwangsgeräumt wird vor allem in den Teilen der Stadt, wo viele Arme wohnen. Spitzenreiter mit jeweils über 1100 Räumungsklagen im Jahre 2012 sind die Bezirke Mitte und Marzahn-Hellersdorf. In Steglitz-Zehlendorf waren es dagegen lediglich 414.
Die Wissenschaftler von der Berliner Humboldt-Universität, zu denen auch der Stadtsoziologe Andrej Holm gehört, stellten einen klaren Zusammenhang zwischen der Räumungsneigung und der Marktlage fest. Je höher die in Aussicht stehenden Neuvermietungsmieten, desto konsequenter nutzen Vermieter Mietrückstände und andere Kündigungsanlässe, um Mieter vor die Tür zu setzen.
Die Studie hat auch das offizielle Hilfesystem bei Zwangsräumungen unter die Lupe genommen – mit überraschenden Ergebnissen: Fast die Hälfte aller Anträge auf Mietschuldenübernahme wird von den Ämtern abgelehnt. In einigen Bezirken stellen viele betroffene Mieter gar keinen Antrag. Dies verweist nach Einschätzung der Autoren auf eine veränderte Sozialstruktur. Es trifft eben zunehmend auch Haushalte, die nicht in den Geltungsbereich von Hartz IV oder Sozialhilfe fallen.
Zudem gehe es vor allem in den Aufwertungsbezirken Friedrichshain-Kreuzberg und Mitte häufig gar nicht um Mietschulden, sondern um Eigenbedarf oder andere Kündigungsgründe.
Birgit Leiß
02.06.2015