„Berlin ist auf dem Weg in die Wohnungsnot“, so das Resümee von Dr. Andrej Holm, Mitarbeiter am Institut für Sozialwissenschaften der HU Berlin, der vor 119 Delegierten der Jahreshauptversammlung des Berliner Mietervereins (BMV) über seine Untersuchungen zum Wohnungsmarkt referierte.
Eindrucksvoll belegte Holm die zunehmende Anspannung auf dem Berliner Wohnungsmarkt: Seit 2005 entwickeln sich Neuvermietungsmieten und Mietpreise im Bestand deutlich auseinander. Während 2007 die Differenz zwischen Angebots- und Bestandsmieten bei 1,34 Euro pro Quadratmeter lag, hat sich dieser Abstand mittlerweile auf 3,11 Euro erhöht – „ein großer ökonomischer Anreiz für den Vermieter, das Mietverhältnis zu wechseln“, so Holm.
Gleichzeitig sank die Anzahl angemessener Wohnungsangebote (mit Mieten innerhalb der Bemessungsgrenzen für ALG II-Empfänger) von 103.182 im Jahr 2007 auf 10.000 Angebote im Jahr 2015. Der Blick auf Einkommen und Mietzahlungsfähigkeit der Haushalte im Verhältnis zu den angebotenen Wohnungen verdeutlicht den tatsächlichen Mangel an preiswerten Wohnungen. Die Ursache für diese Entwicklung sieht der Wissenschaftler Holm darin, dass trotz der seit 2004 schnell anwachsenden Bevölkerung der Neubau preiswerter Wohnungen vernachlässigt wurde: „2004 war Wohnungsbau für Investoren wegen der billigen Mieten nicht lohnend. Inzwischen lohnt sich Neubau nicht, da durch Mietsteigerungen im Bestand viel mehr Geld zu verdienen ist.“ Das zeigen die drastisch ansteigenden Investitionen in bebaute Grundstücke.
Als Handlungsempfehlungen nannte Holm die Einführung einer Immobiliengewinnsteuer, öffentlichen und gemeinnützigen Wohnungsbau und öffentliche Förderung mit dauerhaften Bindungen. Die soziale Wohnungsversorgung müsse gegen private Renditeinteressen durchgesetzt werden. Dem Berliner Mieterverein (BMV) kommt seiner Ansicht nach dabei eine wichtige Rolle zu: „Der Mieterverein ist aktiver Partner in der Interessenvertretung der Mieter.“
BMV-Vorstandsmitglied Dr. Regine Grabowski sieht die dramatische Wohnungsknappheit politisch verursacht: „Der rot-rote Senat hat lange Jahre die Wohnraumknappheit weggeredet, so dass niemand in den Wohnungsmarkt investiert hat.“ Es bedarf nach ihrer Ansicht grundlegender Veränderungen, wie zum Beispiel die dauerhafte Bindung eines Teils der öffentlichen Wohnungen, die Begrenzung von Gewinnerzielung und eine Korrektur der bislang nicht funktionierenden Mietpreisbremse.
BMV-Geschäftsführer Reiner Wild dankte den rund 250 Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen des Vereins für ihren Einsatz und betonte die wichtige Stellung als größter Mieterverein im Deutschen Mieterbund. „Wir wollen in dieser Stadt Meinungsführer für die Mieter bleiben“, so Wild und verknüpfte damit den Anspruch, weiterhin gute Arbeit zu leisten und die Qualität im Beratungssystem zu verstetigen.
ww
23.05.2016