Der Neuköllner Reuterkiez zwischen Maybachufer und Sonnenallee, Kottbusser Damm und Wildenbruchstraße ist bei Touristen bekannt für seine zahllosen Kneipen und Szeneläden, ebenso für den großen Markt am Maybachufer dienstags und freitags. Er ist aber auch ein Musterbeispiel für ungebremste Gentrifizierung, für die Verdrängung der angestammten Bewohner zugunsten einer finanzkräftigen Klientel. Das spüren auch die Kinder im Kiez, wie beim Lesen dieses Kinderbuches deutlich wird.
Oder spüren sie es sogar zuerst, selbst wenn die Eltern nicht über den steigenden Mietpreis und andere existenzielle Sorgen mit ihnen reden? Freunde ziehen weg, neue fremde Kinder besuchen Kitas und Schulen und bevölkern die Spielplätze. Pia und Jonas aus dem Kiez, deren Eltern sich getrennt haben und auf Wohnungssuche sind, inszenieren Stadtführungen unter dem Motto „Neukölln für starke Nerven“. Ihr Programm bedient alle Klischees und reicht von Kriminalität bis zu Gewalt. Aber: Alles nur gespielt. Die Realität findet auf einer anderen Ebene statt: Das Haus, in dem sie wohnen, wird von einer Immobilienspekulantin gekauft und luxussaniert – mit Außenfahrstuhl und Dachausbau, viel Lärm und Staub und Schikanen wie Strom- und Wasserabstellen. Ein Mieterkomitee hält dagegen. Trotzdem: Pia und Jonas müssen mit ihrer Mutter nach Haselhorst ziehen. Das Buch ist spannend – nicht nur für Kinder.
rb
29.05.2017