Einen Vereinsvorstand mit zwei neuen Mitgliedern und einem neuen Vorsitzenden brachte die diesjährige Delegiertenversammlung des Berliner Mietervereins (BMV) hervor. Und die Hoffnung, dass ein verständiger Wähler bei den Bundestagswahlen im Herbst für eine neue Mehrheit sorgt, wo doch die jetzige außerstande ist, die vor langem selber angekündigten dringenden Reformen in Miet- und Wohnungspolitik umzusetzen.
„Allzu viel wurde da nicht umgesetzt“, resümierte der Direktor des Deutschen Mieterbundes (DMB), Lukas Siebenkotten, als er die Delegierten des Berliner Mietervereins daran erinnerte, welche wohnungspolitischen Aufgaben das schwarz-rote Regierungsbündnis vor vier Jahren in seinen Koalitionsvertrag hineingeschrieben hatte. Die „Mietpreisbremse“, eines der wenigen Vorhaben, das dann tatsächlich Gestalt angenommen hat, sei heute, zwei Jahre nach seiner gesetzlichen Umsetzung, als weitgehend unbrauchbar entlarvt, was die CDU/CSU, der größere Koalitionspartner in der Bundesregierung freilich nicht davon abhalte, jeden Reformvorstoß bis ans Ende der Legislaturperiode zu torpedieren. Dabei, so der Bundesdirektor, gebe es eine Reihe drängender Aufgaben in der Wohnungspolitik: eine Neuorientierung des Sozialen Wohnungsbaus, eine gerechte Lastenverteilung bei der Energiewende im Wohnungsbereich, eine Reduzierung bei der Überwälzung von Modernisierungskosten auf die Mieter und etliches mehr.
Von einer auf den ersten Blick unverständlichen Entwicklung wusste BMV-Geschäftsführer Reiner Wild den Delegierten zu berichten. Trotz zunehmender Probleme auf dem Wohnungsmarkt und trotz eines erfreulichen Anstiegs der Mitgliederzahl des Vereins ist die Zahl der mietrechtlichen Beratungen zurückgegangen. Die Erklärung für das paradox anmutende Phänomen: Das als Abhängigkeitsverhältnis wahrgenommene Mietverhältnis zum Vermieter wollen Mieter infolge der angespannten Wohnungsmarktlage nicht belasten und verzichten lieber auf die Durchsetzung rechtlicher Ansprüche. Am deutlichsten, so Wild, sei dies zu beobachten anhand des Vereins-Angebots an die Mieter, ihre Miethöhe nach einem Neuvertragsabschluss überprüfen zu lassen: Die Nachfrage nach diesem Service steht in keinem Verhältnis zur vermuteten Häufigkeit von illegalen Preisüberschreitungen, wie sie die Mietentwicklungsstatistik nahelegt. Mit Blick auf die Mietsprünge der letzten zwei Jahre mahnte auch Wild eine gründliche Generalüberholung der Mietpreisbremse und die Einführung weiterer preisdämpfender Maßnahmen an: „Der Mietspiegel allein reicht nicht mehr“, so der BMV-Geschäftsführer.
Und dann wandte er sich zwei Anwesenden zu, die über Jahrzehnte maßgeblich die Geschicke und die Geschichte des Berliner Mietervereins mitgestaltet haben: Regine Grabowski, die Ost-Berliner Wirtschaftswissenschaftlerin, die, 1990 in den BMV-Vorstand gewählt, großen Anteil am Zusammenschluss der Ost- und West-Berliner Mieterinteressenvertretungen hatte, und Edwin Massalsky, der 33 Jahre lang im Vorstand, 27 davon Vorsitzender des Mietervereins war, in dieser Zeit eine Vervielfachung der Mitgliederzahlen auf 160.000 erlebte und bei einer zunehmenden Professionalisierung der Vereinsarbeit immer auch das Engagement der ehrenamtlich Tätigen einforderte und förderte.
Beide Vorstandsmitglieder, denen BMV-Geschäftsführer Wild und DMB-Direktor Siebenkotten für ihre „ganz besondere Leistung“ dankten, kandidierten nicht mehr zur aktuellen Wahl des BMV-Vorstands.
In diese Ämter wählte die Delegiertenversammlung dann die Neuköllner Bezirksleiterin Dr. Jutta Hartmann, die beim Deutschen Mieterbund als Juristin tätig ist, die langjährig in der Friedrichshain-Kreuzberger Bezirksleitung aktive Gundel Riebe sowie – zum neuen Vorsitzenden – den bereits seit drei Jahren im Vorstand wirkenden Rechtsanwalt Dr. Rainer Tietzsch.
Nach der Abstimmung einer ganzen Reihe von wohnungspolitischen Anträgen, mit denen der Mieterverein auch zum nächsten Deutschen Mietertag in Magdeburg anreisen wird, verabschiedete der neue Vorsitzende Tietzsch die Anwesenden in ein weiteres Jahr mit großen mieten- und wohnungspolitischen Herausforderungen – neuen und vielen ungelösten alten.
Udo Hildenstab
Der in der Delegiertenversammlung 2017 behandelte Leitantrag im Wortlaut:
„Die soziale Stadt retten – in der Wohnungs- und Mietenpolitik umsteuern“
„Zwei Urgesteine des BMV verabschieden sich: Mit Geschick und Herzblut“: ein MieterMamazin-Beitrag über die langjährigen Vorstandsmitglieder Edwin Massalsky und Dr. Regine Grabowski.
In der nächsten Ausgabe des MieterMagazins stehen die drei Mitglieder des neuen BMV-Vorstands in einem gemeinsamen Interview Rede und Antwort.
26.05.2017