Nie waren die Wohnungsmarktprobleme der Hauptstadt in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten so ausgeprägt wie heute. Und nie ist es vorgekommen, dass sich der Berliner Mieterverein (BMV) und das für das Wohnen zuständige Senatsmitglied in der Analyse und den notwendigen Lösungen so einig sind. Die BMV-Delegiertenversammlung gab davon ein eindrückliches Zeugnis ab.
Der erste Montag im Mai wartete mit mehreren wohnungspolitischen Nachrichten auf: Die Investitionsbank Berlin verkündete wie alljährlich die Zahlen zu Mietsteigerungen und Versorgungslage auf dem Wohnungsmarkt – wie zu erwarten schlechte Nachrichten für die Mieter – und Vertreter der Großen Koalition im Bund kündigten ein Gesetzespaket an, das den rasanten Mietenanstieg in vielen Städten Deutschlands abbremsen soll – mit halbherzigen, zum Teil untauglichen Schritten.
Das sei eben das, was herauskomme, wenn eine im Wahlergebnis schlechte CDU mit einer schlechten SPD und einer angeschlagenen CSU koaliere: der kleinste gemeinsame Nenner, so Dr. Rainer Tietzsch, der als Vorsitzender die an diesem nachrichtenreichen Tag stattfindende Delegiertenversammlung des Berliner Mietervereins leitete.
Die Gast- und Auftaktrede vor den 131 Delegierten geriet der Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) zwar hauptsächlich zum Referat ihrer bisher erfolgten Bemühungen im Kampf gegen ausufernde Mieten und fehlende Wohnungen, wurde von den Anwesenden aber mit viel Beifall bedacht, denn in der Beurteilung dessen, was schiefgelaufen ist in der Mieten- und Wohnungspolitik und was man ändern muss, lagen Auditorium und Senatorin nah beieinander.
Der als Gast auf dem Podium anwesende Bundesdirektor des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten, gab zu Protokoll: „Ich habe noch keinen Minister oder Senator erlebt, der so nahe an den Forderungen der Mieterverbände ist.“
Der BMV-Vorsitzende Tietzsch blickte in seinem Tätigkeitsbericht auf Arbeit und Neuerungen innerhalb des Mietervereins. Die Nutzung der elektronischen Medien mit ihren Informationsangeboten spiele eine immer größere Rolle. Auch sei es „notwendig, das Feld der sozialen Netzwerke zu bespielen“, der Verein komme dem seit einigen Monaten nach. Er habe seine Zweifel, ob ein Online-Angebot mehr als eine strukturierte Information sein könne, doch wenn eine Online-Rechtsberatung möglich sei, dann sollte dieses Angebot vonseiten der organisierten Mieterschaft kommen.
Solide gewirtschaftet
BMV-Vorstandsmitglied und Kassenwartin Dr. Jutta Hartmann berichtete von einem Nettozuwachs von 2,2 Prozent bei den Vereinsmitgliedern auf jetzt 122.000 Mitgliedshaushalte. Neben einer soliden Geschäftstätigkeit trägt auch ein solches bei anderen deutschen Mietervereinen unerreichtes Wachstum zu einem gesunden Haushalt bei.
„Denken wir aber daran“, so BMV-Geschäftsführer Reiner Wild, „dass diese guten Ergebnisse auch einer sehr unguten Sache geschuldet sind: Eine Welle von Mieterhöhungen nach dem letzten Mietspiegel hat den Beratungsbedarf in dieser Stadt enorm in die Höhe getrieben.“ Womit er den Delegierten den Weg zurück von den vereinsinternen Erfreulichkeiten in die weniger erfreulichen Realitäten des Berliner Mieteralltags wies. Umso wichtiger sei es, dass Berlin eine schlagkräftige Mietervertretung habe. Wild versprach: „Das wollen wir auch im nächsten Jahr sein.“
Die abschließende lebhafte Diskussion um die eingebrachten wohnungspolitischen Anträge zeigte, dass der Verein seine Aufgaben kennt und mit Engagement angeht.
Udo Hildenstab
Ehre, wem Ehre gebührt
33 Jahre im Vorstand des Berliner Mietervereins, davon 27 als Vorsitzender: Kaum jemand hat länger die Geschicke des Mietervereins an maßgeblicher Stelle mitgestaltet als Edwin Massalsky. Der Reinickendorfer hat in seiner Amtszeit eine Vervierfachung der Vereinsmitgliederzahl und den Zusammenschluss der Mietervereine von Ost- und West-Berlin im Jahr 1990 erlebt.
Im vergangenem Jahr ist er nicht mehr zu den Vorstandswahlen angetreten, wurde aber bei der diesjährigen BMV-Delegiertenversammlung einstimmig zum Ehrenvorsitzenden ernannt. Wir gratulieren.
uh
21.10.2020