Vor allem im Sommer kommen die Anfragen: Gibt es irgendwo einen freien Liegeplatz für ein Hausboot? Das Wohnen auf den Berliner Gewässern ist mit den Jahren immer attraktiver und zugleich schwieriger geworden. Die Behörden mögen es nicht, wenn jemand dauerhaft vor Anker gehen will. So muss man entweder unerschrocken sein oder schon lange seinen Platz am Ufer haben. Neue Genehmigungen gibt es allenfalls für eine temporäre Nutzung der Wohnschiffe.
Elisabeth K. hatte schon immer den Traum, auf dem Wasser zu wohnen. Als sich die Möglichkeit ergab, das Wohnschiff einer Bekannten zu mieten, griffen ihr Mann und sie sofort zu. Seit 24 Jahren leben die beiden inzwischen auf dem ausgedienten Kahn am Plötzenseer Kolk. Sie haben das Schiff längst gekauft, die rund 90 Quadratmeter immer weiter ausgebaut und gehören damit zu jenen – sehr wenigen – Berlinern, die man nur über einen Steg erreicht, wenn man sie besuchen will. Der Blick geht durch die Fenster in Wohnräume auf Wasserhöhe, auf das langgezogene Deck mit Tisch und Stühlen, Kräuterbeeten und Blumentöpfen, das Beiboot an der Seite. Laut Definition der Binnenschifffahrtsstraßenordnung (BinSchStrO) ist Elisabeth K.s Zuhause eine schwimmende Anlage und unterscheidet sich damit von Kleinfahrzeugen, etwa Motorbooten, für die das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Kennzeichen ausgibt.
„Eine schwimmende Anlage ist in der Regel nicht für die Fortbewegung gedacht“, erklärt Stefan Sühl vom Berliner Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt (WSA). „Es liegt fest an einem Ort, und wenn es beispielsweise auf eine Werft muss, dann geht das nur über einen Sondertransport.“ Kein Kennzeichen heißt allerdings noch lange nicht, dass ein Hausboot genehmigungslos irgendwo ankern darf. Im Gegenteil: Eine schwimmende Anlage setzt umständliche Genehmigungsverfahren voraus.
Kein Dauerwohnsitz
Zuerst einmal muss das WSA eine strom- und schifffahrtspolizeiliche Erlaubnis geben, denn auf Flüssen und Seen gilt das Bundeswasserstraßengesetz. So wird beispielsweise geprüft, ob von dem Hausboot eine Behinderung oder Gefahr für den Schiffsverkehr ausgeht. Als Zweites muss auch die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz grünes Licht geben. Die entscheidet beispielsweise unter Aspekten des Umweltschutzes und der Stadtplanung. Auf die Frage, wie groß denn die Chance ist, eine Genehmigung zu bekommen, heißt es aus dem WSA: „Wir räumen Antragstellern auf den Bundeswasserstraßen grundsätzlich keine Nutzungsmöglichkeit als Dauerwohnsitz ein.“ Anträge auf Hausbootliegeplätze würden unter der Maßgabe einer temporären Nutzung – also zu Freizeit- und Erholungszwecken – geprüft.
„Eigentlich leuchtet mir nicht ein, was so kompliziert daran sein sollte, an einigen Stellen Liegeplätze für Hausboote auszuweisen“, erklärt Erik A., der selbst seit Langem die meiste Zeit im Jahr auf seinem Hausboot lebt. Wo es ankert, möchte er lieber nicht in der Zeitung lesen. „Ich habe eine Möglichkeit gefunden – aber das ist in Berlin nicht gern gesehen.“ Er bekommt gerade jetzt im Sommer fast täglich Anrufe von Interessenten – die Berliner Gewässer sind in den Jahren nach dem Mauerfall immer attraktiver geworden. Aber das Wohnen auf Spree, Havel und Dahme ist etwas für wenige Liebhaber, Hartnäckige und Aussteiger geblieben. Zu den vielleicht 50 bis 60 geduldeten Bootsliegeplätzen vor allem in den alten Hausbootkolonien am Plötzenseer Kolk, im Flutkanal der Tiergartenschleuse und in Spandau sind in den vergangenen Jahrzehnten so gut wie keine neuen hinzugekommen.
Dabei hat Berlin einiges zu bieten: Flüsse, Kanäle und Seen stellen zusammen rund sechseinhalb Prozent der Stadtfläche. Insgesamt sind das knapp 60 Quadratkilometer. Nicht einmal die Grachtenstadt Amsterdam mit 52 Quadratkilometern ist so wasserreich.
Wäre Wohnen auf dem Wasser – zumindest an einigen Stellen – nicht auch eine Möglichkeit, das drängende Wohnraumdefizit um einige Quadratmeter zu schmälern? Diese Überlegung stand wohl hinter der kleinen Anfrage eines CDU-Abgeordneten am 17. Juli vergangenen Jahres. Die Antwort der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz: „Hausboote haben für den Senat im Rahmen des Wohnungsbaus keine Bedeutung.“ Im Land Berlin gäbe es keine Ausweisung von Flächen für Hausboote zu Wohnzwecken.
Wasserlagen sind für alle da
„Klar gibt es da tolle Wohnvorstellungen von Floating Homes und Investoren, die super Wohnparks für die Spree konzipieren würden“, erklärt der Pressesprecher des Senats, Matthias Tang. „Aber wir sind der Meinung, die Wasserlagen sind für alle da.“ So stehe es auch im Koalitionsvertrag: Die Ufer sollten zu Erholungszwecken für die Bevölkerung zugänglich sein.
Wie aber regeln das andere Städte, etwa Amsterdam (rund 2500 Hausboote) oder London (rund 4000 Hausboote, Tendenz steigend), für die doch die gleichen Rahmenrichtlinien gelten? „Anders als in Berlin sind die Hausbootkolonien dort langsam gewachsen“, meint Erik A. In Berlin aber waren Flüsse jahrzehntelang Grenze und Todesstreifen.
„Und jetzt glaube ich, sind die bunten Hausboote, die ja oft selbst zusammengezimmert sind, den Mietern in den teuren Wohnungen mit Wasserblick eher ein Dorn im Auge.“ So formiere sich Widerstand der Anwohner um die Rummelsburger Bucht, wo sich bis zum Brand im vergangenen Jahr eine kleine Kolonie mitten auf dem See zusammengefunden hatte. Lummerland nannte sich die schwimmende Wagenburg in Sichtweite nobler Townhäuser.
„Die Vorwürfe lauten ja, dass die Hausboote das Wasser verdrecken, ihre Fäkalien da reinließen, den Müll illegal entsorgten“, sagt Erik A. Dabei lebten Hausbootler oft umweltbewusster als mancher an Land: „Die haben Solarzellen auf den Dächern, vermeiden Müll, wo sie können und trennen sehr diszipliniert.“ Wie Elisabeth K. und ihr Mann: Gewaschen wird mit Waschnüssen, im Bad gibt es eine Komposttoilette – und eine Mülltonne steht draußen an Land, wo sie regelmäßig von der BSR abgeholt wird. „Wir haben hier alles, was man braucht: Strom, Internet, Telefon. Wir haben ja hier auch als Familie gelebt. Unsere beiden Söhne sind auf dem Schiff groß geworden.“
Nach einem Liegeplatz aber braucht am Kolk niemand mehr zu fragen. Da ist seit Jahren keiner frei.
Rosemarie Mieder
Vorab informieren!
Jeder, der über ein Hausboot nachdenkt, sollte sich vor dem Kauf oder Bau eines solchen Schiffes erst einmal die Informationsmaterialien anschauen, die das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Berlin auf seiner Homepage zur Verfügung stellt.
Sie klären ausgiebig darüber auf,
- was als Hausboot betrachtet wird,
- welche Genehmigungen erforderlich sind,
- welche privatrechtlichen Verträge abgeschlossen werden müssen,
- welche Stellen an Bundeswasserstraßen sich überhaupt für Hausboote eignen
- und wie Transporte über die Bundeswasserstraßen zu erfolgen haben.
Wichtig sind vor allem diese beiden Informationsblätter:
- Hausboote an Bundeswasserstraßen
- Kleinfahrzeuge – Eigenbauten – Hausboote – Flöße
Zu finden unter www.wsa-b.de/
24.05.2018