Auch die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften langen bei der Neuvermietung kräftig zu. Fast alle Angebote bewegen sich am oberen Limit des Mietspiegels, oft sogar darüber.
Beispiel Dudenstraße 85 in Kreuzberg. Für 602 Euro nettokalt bietet das kommunale Wohnungsunternehmen Degewo eine 75 Quadratmeter große Altbauwohnung an. Das sind 8,02 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Der oberste Spannenwert des Mietspiegels liegt bei 7,62 Euro, der mittlere sogar nur bei 6,08 Euro. Dabei werden die Räume als renovierungsbedürftig angeboten. Zudem weist die Wohnung einen sehr schlechten Energiekennwert auf, das heißt, sie ist nicht energetisch saniert. Wie kann es also sein, dass hier sämtliche wohnwerterhöhenden Merkmale zutreffen sollen?
Ein anderes Angebot der gleichen Wohnungsbaugesellschaft: In der Eschenallee 14 in Westend ist eine 192 Quadratmeter große Wohnung für 1996 Euro netto zu vermieten. Das sind 10,39 Euro pro Quadratmeter, der obere Spannenwert in dieser guten Wohnlage liegt bei 10 Euro. Auch diese Wohnung wird als renovierungsbedürftig beschrieben und hat einen miserablen Energiekennwert. Auf den Fotos ist zu erkennen, dass es sich um eine herrschaftliche Altbauwohnung handelt, allerdings in abgewohntem Zustand und mit allenfalls durchschnittlicher Ausstattung.
Die Degewo erklärt auf Anfrage zu den zwei Beispielen kurz und knapp, man nehme für jede Wohnung die Spanneneinordnung für die ortsübliche Vergleichsmiete individuell vor. Auf die Bitte, dies anhand der erwähnten Beispiele darzulegen, wollte die Pressesprecherin des Unternehmens, Isabella Canisius, nicht eingehen.
Auch bei der Howoge verfügt man offenbar fast nur über Wohnungen, die sämtliche wohnwerterhöhende Merkmale aufweisen. So wird in der Große-Leege-Straße 42 a in Hohenschönhausen eine Dachgeschosswohnung zum Quadratmeterpreis von 9,55 Euro angeboten. Der obere Spannenwert liegt bei 8,96 Euro. Ohne ins Detail zu gehen, erklärt Pressesprecherin Sabine Pentrop dazu, dass wohnwerterhöhende Merkmale mit 80 Prozent in die Mietberechnung eingeflossen seien. Darauf werden dann nochmal die gesetzlich zulässigen 10 Prozent aufgeschlagen und schon kommt man auf 954 Euro Warmmiete für eine Zweizimmerwohnung im 5. Stock – ohne Aufzug und ohne Balkon.
Wie kommt es, dass sich praktisch keine Angebote zum mittleren oder gar unteren Spannenwert finden? Es ist schlicht unwahrscheinlich, dass die städtischen Wohnungsbaugesellschaften nicht auch Wohnungen mit allerlei Nachteilen in ihrem Bestand haben, zumal einige wohnwertmindernde Merkmale auch durch eine Top-Sanierung nicht zu beseitigten sind, etwa Lärm oder die Lage im Hinterhaus. Selbstverständlich gebe es Angebote im unteren Spannenfeld, erklärt die Sprecherin der Degewo. Doch diese würden nicht im Internet beworben, sondern den Wohnungssuchenden direkt angeboten.
Keine Kontrolle durch den Senat
Seitens der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung gibt es keine Kontrollen, ob das korrekt gehandhabt wird. Deren Sprecherin Katrin Dietl verweist darauf, dass die durchschnittliche Neuvermietungsmiete im Altbaubereich bei den Städtischen im Jahre 2017 7,09 Euro pro Quadratmeter betragen hat. Sie habe somit rund 30 Prozent unter dem marktüblichen Wert von 10,15 Euro gelegen.
Dass Fehler vorkommen, belegt ein Fall in der Wrangelstraße 66 in Kreuzberg. Für 8,95 Euro wurde dort eine Altbauwohnung vermietet – und das, obwohl bei der Besichtigung noch von 8,35 Euro die Rede gewesen war. Nach dem Einzug rechnete der Mieter nach und monierte die fehlerhafte Miethöhe. Nach einigem Hin und Her – zunächst wurde als „Plus“ ein zusätzliches Kellerabteil angeboten – musste die Gewobag die Miete auf 8,35 Euro senken.
Birgit Leiß
Was dürfen die Städtischen nehmen?
Bei der Neuvermietung gilt für alle Vermieter: ortsübliche Vergleichsmiete plus 10 Prozent. Auf die Ausnahmeregelungen – vorangegangene umfassende Modernisierung und hohe Miete des Vormieters – haben sich die Städtischen gegenüber dem MieterMagazin nicht berufen. Die ortsübliche Vergleichsmiete ist nicht automatisch der Mietspiegel-Mittelwert im entsprechenden Feld. Vielmehr ist für jede Wohnung eine Spanneneinordnung vorzunehmen. Je mehr Pluspunkte Wohnung, Haus und Wohnumfeld haben, desto mehr bewegt sie sich in Richtung oberer Spannenwert. Umgekehrt drücken Nachteile die zulässige Miete. Nach der Kooperationsvereinbarung müssen die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften 60 Prozent der jährlich zur Wiedervermietung kommenden Wohnungen an WBS-berechtigte Haushalte maximal zur ortsüblichen Vergleichsmiete vermieten. Der 10-prozentige Zuschlag entfällt hier.
bl
27.05.2019