Im April letzten Jahres hat sich eine Bürgerinitiative zum Erhalt der grünen Innenhöfe an der Kavalierstraße in Pankow gegründet. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft Gesobau plant hier eine Nachverdichtung. Das MieterMagazin sprach mit Andrea Wulff und Julia Dimitroff von der Initiative über ihr Anliegen.
MieterMagazin: Was haben Sie dagegen, dass die Gesobau hier 170 bezahlbare Wohnungen bauen will?
Andrea Wulff: Ich wohne in der obersten Etage und würde dann nur noch auf Häuser schauen statt auf Grün. Die Mieter in den unteren Etagen hätten gar kein Licht mehr. Die schöne grüne Wiese zwischen unseren Häuserblocks würde verschwinden, mindestens 100 Bäume müssten gefällt werden, darunter 200 Jahre alte Kastanien und Eichen. Vier Kitas würden ihre Freifläche verlieren und ein Spielplatz würde platt gemacht.
MieterMagazin: Aber Berlin braucht nun mal Wohnungen, und dieses Grundstück befindet sich in öffentlicher Hand.
Julia Dimitroff: Es gibt genug bereits versiegelte Flächen, etwa alte Fabriken oder brachliegende Bahngelände, die man zu Wohnzwecken umbauen kann statt zu Büros. Wir brauchen die vorhandenen grünen Oasen, um mit den Folgen des Klimawandels umzugehen. Jede versiegelte Fläche bedeutet, dass hier kein Regenwasser versickern kann. Im Sommer wird sich bei der dichten Bebauung die Hitze stauen. Im Übrigen soll auf dem Grundstück hier lediglich die Hälfte der geplanten 170 Wohnungen zu Mieten von 6,50 Euro vermietet werden. Der Rest kann für 12,50 Euro oder mehr angeboten werden.
Andrea Wulff: Ich glaube, dass man eine sinnvolle Nachverdichtung hinbekommen könnte mit Aufstockungen oder der Bebauung der Parkplatzfläche. Aber warum müssen es Fünfgeschosser sein? Der Abstand zu den Bestandsgebäuden soll nicht einmal 12 Meter betragen! Nun bekommen wir wieder Zilles Hinterhofmilieu. Und die Bürgerbeteiligung war ein Witz. Wir haben von dem Vorhaben erst aus der Zeitung erfahren.
MieterMagazin: Auf der Website der Gesobau heißt es, dass die Bebauungsvariante im Rahmen der Anwohnerbeteiligung ausgewählt wurde.
Andrea Wulff: Das stimmt nicht. Die Einladung zur ersten Informationsveranstaltung kam erst fünf Tage nach dem Zeitungsbericht. Viele Mieter waren ausgeschlossen. Per Knopfdruck sollte man dann über drei Varianten abstimmen, die aus unserer Sicht alle gleich gruselig waren. Wir haben diese Abstimmung verweigert und uns gleich danach als Initiative gegründet. Im Mai haben wir dann einen Bürgerantrag in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Pankow eingereicht, der einen Neustart hinsichtlich des Partizipationsverfahrens mit der Gesobau fordert. Diesem Antrag wurde im September mit wenigen Änderungen stattgegeben. Der bisherige Beteiligungsprozess inklusive Festlegung auf eine Bauvariante ist mit dem BVV-Beschluss gegenstandslos.
Julia Dimitroff: Trotzdem hatte die erste Beteiligungsveranstaltung nach dem Neustart im Oktober wieder dieselben Fehler. Die Möglichkeiten der Mitgestaltung beschränkten sich auf Marginalien, wie die Farbe der Fenster. Wirkliche Mitbestimmung, wie es in den Leitlinien zur Partizipation des Senats steht, gab es nicht.
Andrea Wulff: Jeder, der hierher kommt, sagt: „Was, hier soll gebaut werden? Das ist doch Wahnsinn!“ Im August hat der Bezirk Pankow den Klimanotstand ausgerufen. Wie kann man da noch weiterhin Bäume fällen und Flächen versiegeln?
Interview: Birgit Leiß
Die Hälfte für 6,50 Euro
Das Wohnungsbauunternehmen Gesobau, dem auch ein Großteil der Bestandsbauten im Umfeld gehört, plant im Bereich der Innenhöfe zwischen Ossietzkystraße/Am Schloßpark und Kavalierstraße eine Bebauung mit fünf Fünfgeschossern. Die großzügigen, aber wenig genutzten Freiflächen der 50er-Jahre-Siedlung würden sich für eine Nachverdichtung anbieten, heißt es auf der Website. Die Hälfte der insgesamt 170 Wohnungen soll zu Mieten von 6,50 Euro netto pro Quadratmeter an Haushalte mit Wohnberechtigungsschein vermietet werden.
bl
Mehr Infos im Internet:
www.grüner-kiez-pankow.de
E-Mail:
info@grüner-kiez-pankow.de
Das MieterMagazin stellt in lockerer Folge Nachbarschafts- und Quartiersinitiativen vor.
28.05.2020