Obwohl in Berlin dringend mehr Wohnungen gebraucht werden, lassen Eigentümerinnen und Eigentümer viele baureife Grundstücke brachliegen. Sie spekulieren auf Wertzuwachs durch Nichtstun. Berlin schaut dem tatenlos zu. Mit Baugeboten könnte man dem abhelfen.
Wohnungsneubau ist nicht das einzige Mittel zur Behebung der Wohnungsnot, dennoch braucht Berlin viele neue – und bezahlbare – Wohnungen. Für den Neubau müssen nicht immer neue Baugebiete am Stadtrand ausgewiesen werden. Auch die Innenstadt ist voll von Flächen, deren Bebauung erlaubt und erwünscht ist.
Doch oft denken Eigentümer gar nicht daran zu bauen, denn auf dem völlig unregulierten Bodenmarkt steigt der Wert des Baulandes auch dann immens, wenn es einfach nur brach daliegt.
Um dem Verfassungsgrundsatz „Eigentum verpflichtet“ Geltung zu verschaffen, können Städte und Gemeinden Baugebote nach Paragraf 176 des Baugesetzbuches aussprechen. Das tun sie deutschlandweit sehr selten, Berlin hat den Paragrafen noch nie angewandt. „Viele Städte scheuen den vermeintlich hohen Verwaltungsaufwand bei der Aktivierung ungenutzter Baulücken für den Wohnungsbau“, sagt Arno Bunzel vom Deutschen Institut für Urbanistik (Difu). Das Stadtforschungsinstitut hat deshalb für die Kommunen die Arbeitshilfe „Baugebote für den Wohnungsbau“ erstellt.
Eine Stadt kann Eigentümer mit einem Baugebot dazu verpflichten, ihr Grundstück innerhalb einer bestimmten Frist so zu bebauen, wie es der Bebauungsplan vorsieht, oder – falls kein Bebauungsplan vorliegt – so zu bebauen, dass das Gebäude sich nach Größe und Nutzungsart in die Umgebung einfügt. Ein Baugebot kann auch anordnen, dass ein vorhandenes Bauwerk der im Bebauungsplan festgelegten Nutzung angepasst wird. So kann also auch durchgesetzt werden, dass leerstehende oder gewerblich genutzte Häuser zum Wohnen umgebaut werden.
Wenn Eigentümerinnen und Eigentümer wirtschaftlich nicht dazu in der Lage sind, können sie von der Stadt verlangen, dass sie ihnen ihre Grundstücke abkauft. Weigern sie sich, dem Baugebot nachzukommen, kann die Stadt auch zur Enteignung schreiten.
Weil das Baugebot ein erheblicher Eingriff in das Eigentumsrecht ist, soll es nur dann zur Anwendung kommen, wenn eine Grundstücksnutzung einvernehmlich nicht möglich ist. Das Difu empfiehlt zunächst eine direkte Ansprache. „Häufig reicht es bereits aus, die Option ‚Baugebot‘ im Umgang mit Eigentümerinnen und Eigentümern von Grundstücken zu kommunizieren“, heißt es in der Difu-Arbeitshilfe.
Erfolgreicher Nürnberger Vorstoß
So hat die Stadt Nürnberg in einem Pilotprojekt im Sommer 2020 vier Eigentümer unbebauter Grundstücke angeschrieben. Daraufhin wurde ein Grundstück an ein Wohnungsbauunternehmen verkauft, das einen Realisierungswettbewerb durchführte und jetzt einen Bauantrag vorbereitet. In zwei weiteren Fällen wurde eine Bauvoranfrage gestellt beziehungsweise ein Bauantrag angekündigt. Nürnberg hat daraufhin beschlossen, künftig regelmäßig die Ankündigung von Baugeboten strategisch einzusetzen und nötigenfalls ein solches Gebot auch anzuordnen.
Wenn sich die Stadtplanungsämter erst einmal mit dem Instrument vertraut gemacht haben, können sie mit dem Baugebot schnell und direkt Wohnungsbaupotenziale heben – ohne aufwendige und langwierige Planungsverfahren für neue, flächenfressende Baugebiete.
Jens Sethmann
Gegen Baugrundstücksspekulation
Um gegen die Spekulation mit baureifen Grundstücken vorzugehen, hat Berlin im Jahr 2018 die Gültigkeit von Baugenehmigungen von drei auf zwei Jahre verkürzt. Es ist aber weiterhin zu beobachten, dass Eigentümer für ihre Grundstücke auf Vorrat Baugenehmigungen einholen – nicht weil sie bauen wollen, sondern um mit einem genehmigten Bauprojekt den Wert des Grundstückes für einen Weiterverkauf zu erhöhen. Einen weiteren Hebel gegen das Horten von Bauland will Berlin mit der neuen Grundsteuer ab 2025 ansetzen. Der frühere Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) hat 2020 angekündigt, für baureife, aber unbebaute Grundstücke eine „Grundsteuer C“ einzuführen: Mit einem höheren Hebesatz soll sich das Liegenlassen von Baugrund erheblich verteuern.
js
https://difu.de/publikationen
26.05.2023