Wenn Deutschland seine Klimaziele erreichen und bis 2045 klimaneutral werden will, muss im Gebäudebereich deutlich mehr getan werden. Die Bundesregierung hat deshalb ein neues Gebäudeenergiegesetz (GEG) auf den Weg gebracht. Der Kern: Ab 2024 dürfen nur noch klimafreundliche Heizungen neu eingebaut werden. Im Gesetzentwurf fehlt aber ein Schutz vor der Kostenabwälzung auf die Mieterinnen und Mieter, bemängelt der Deutsche Mieterbund (DMB).
Mit Schlagzeilen wie „Habecks Heiz-Hammer“ versucht die Boulevardpresse seit Wochen, als vermeintliches Sprachrohr der Eigenheimbesitzer Stimmung gegen die geplante Novelle des Gebäudeenergiegesetzes zu machen. Demnach dürfen ab dem 1. Januar 2024 in allen Gebäuden nur noch Heizungen eingebaut werden, die zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Mit dem geplanten Gesetz soll beim Heizen und bei der Warmwasserbereitung die Dekarbonisierung eingeleitet werden, also der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen wie Öl, Kohle und Gas und der Einstieg in erneuerbare Energieträger. „Mit der Novelle starten wir eine wichtige Modernisierungsoffensive und holen auf, was über viele Jahre versäumt wurde“, erklärt Bundeswirtschaftsminister Habeck (Grüne).
Wegen der langen Investitionszeiträume im Gebäudebereich müsse die Weichenstellung jetzt erfolgen, denn Heizungen, die heute eingebaut werden, laufen in der Regel 20 bis 30 Jahre. Bestehende Heizungsanlagen können weiter betrieben werden. Kaputte Heizungen darf man auch reparieren lassen.
Alte Technik vernichtet Geld
Auch die Entwicklung der Brennstoffpreise spricht für einen Heizungsaustausch. „Gas wird wohl nie wieder so billig sein wie vor dem Ukraine-Krieg“, sagt Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD). „Wer auf alte Technik setzt, investiert in Geldvernichtungstechnik.“ Ab 2045 ist der Einsatz von fossilen Brennstoffen zum Heizen ganz ausgeschlossen.
Die Pflicht zur Nutzung von mindestens 65 Prozent erneuerbarer Energien in neu eingebauten Heizungen kann auf verschiedenen Wegen erfüllt werden: durch den Anschluss an ein Fern- oder Nahwärmenetz, den Einbau einer elektrischen Wärmepumpe, einer Stromdirektheizung, einer Heizung auf der Basis von Solarthermie oder einer Hybridheizung, bei der eine Erneuerbare-Energien-Heizung mit einem Gas- oder Ölkessel kombiniert ist. Auf Wunsch der FDP gibt es auch die Möglichkeit zum Einbau einer „H2-Ready“-Gasheizung, die auf 100 Prozent Wasserstoff umrüstbar ist – auch wenn es utopisch ist, dass diese Technik in absehbarer Zeit marktreif wird. In bestehenden Gebäuden dürfen zudem Biomasse- oder Gasheizungen installiert werden, die nachweislich mindestens zu 65 Prozent Biogas nutzen. Erlaubt sind auch individuelle Lösungen, bei denen die Eigentümer den erforderlichen Erneuerbaren-Anteil rechnerisch nachweisen können.
Bei der Umsetzung gibt es großzügige Übergangsfristen und Ausnahmeregelungen. In Havariefällen können für einen Zeitraum von 3 bis 13 Jahren vorübergehend neue oder gebrauchte fossile Heizungen installiert werden. Über-80-Jährige, die bis zu sechs Wohnungen besitzen, sind von der Umrüstpflicht ganz ausgenommen. Wenn in Härtefällen die notwendigen Investitionen in keinem angemessenen Verhältnis zum Ertrag oder zum Wert des Gebäudes stehen, wird ebenfalls eine Ausnahme gemacht.
„Natürlich ist die Umstellung auf erneuerbares Heizen erstmal ein großer Schritt und für viele Bürgerinnen und Bürger nicht einfach zu schultern“, weiß Wirtschaftsminister Robert Habeck. Daher wird die bestehende Bundesförderung für Kleineigentümer verbessert. Wer sein Wohneigentum selbst bewohnt oder bis zu fünf Wohnungen vermietet, bekommt für den Umstieg auf eine klimafreundliche Heizung eine Grundförderung von 30 Prozent. Dazu gibt es verschiedene Klima-Boni. Wer seine Heizung austauscht, obwohl er wegen der Ausnahmeregelungen im GEG nicht dazu verpflichtet wäre, und wer einkommensabhängige Transferleistungen erhält, bekommt eine zusätzliche Förderung von 20 Prozent. Und wer beim Heizungstausch die gesetzlichen Anforderungen übererfüllt oder im Fall einer Havarie direkt auf eine erneuerbare Beheizungsart umstellt, erhält einen weiteren Förderbonus von 10 Prozent. Des Weiteren stehen Förderkredite zur Verfügung, mit denen man die finanziellen Belastungen zeitlich strecken kann. Alternativ lassen sich die Kosten auch weiterhin steuerlich abschreiben.
Bei der Fördermittelvergabe werden nach dem Motto „worst first“ die ältesten und schlechtesten Heizsysteme bevorzugt. Die größten Treibhausgasschleudern sollen als erstes außer Betrieb gehen. „Wir werden den Bonus gestaffelt nach dem Alter der Technik ausreichen“, kündigt Klara Geywitz an. So werden ab 2024 alle Heizgeräte, die älter als 40 Jahre sind, förderfähig, ab 2025 dann die Geräte, die älter als 35 Jahre sind, und ab 2026 alle Geräte, die mehr als 30 Jahre auf dem Buckel haben.
Wer bezahlt die Rechnung?
Der Deutsche Mieterbund unterstützt das Ziel des neuen GEG, wenn gleichzeitig die Sozialverträglichkeit für alle Mieterinnen und Mieter gesetzlich verbindlich sichergestellt wird. „Klimaschutz im Gebäudebereich stellt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe dar – eine gerechte Verteilung der notwendigen Kosten muss in den Mittelpunkt gerückt werden“, sagt DMB-Präsident Lukas Siebenkotten. „Dem Gesetz mangelt es bisher an ausreichendem Mieterschutz und sozialer Abfederung.“
In der Regel können die Kosten der Neuinstallationen über die Modernisierungsumlage auf die Mieter:innen abgewälzt werden, was zu enormen Mieterhöhungen führen kann. Das Förderkonzept des Bundes ermöglicht über die Klima-Boni nun Förderquoten von bis zu 50 Prozent, richtet sich aber nur an selbstnutzende Eigentümer:innen und lässt den Mietwohnungsbereich außen vor.
„Vermieterinnen und Vermietern steht es nach wie vor frei, ob sie eine Förderung in Anspruch nehmen oder die Kosten einfach im Rahmen der Modernisierungsumlage an die Mieterinnen und Mieter weitergeben“, erklärt der DMB-Präsident. Eine Förderung werde der Erfahrung nach nur in fünf bis zehn Prozent der Fälle beantragt. Deshalb fordert Siebenkotten: „Es muss jetzt klar geregelt werden, dass Vermieterinnen und Vermieter die Förderung von den umgelegten Kosten abziehen müssen, unabhängig davon, ob sie diese tatsächlich in Anspruch genommen haben oder nicht.“ Der DMB fordert gleichzeitig eine Abschaffung oder deutliche Absenkung der Modernisierungsumlage. Derzeit dürfen acht Prozent der Modernisierungskosten auf die Jahresmiete beziehungsweise bis zu drei Euro pro Quadratmeter monatlich aufgeschlagen werden, und zwar zeitlich unbegrenzt.
Sinken die Heizkosten?
Im Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes ist auch die Frage der auf die Mieter zukommenden Energiekosten aus Sicht des DMB nicht zufriedenstellend geklärt. Bei Einbau einer ineffizienten Wärmepumpe oder teurer Wasserstofftechnologie könnten Mieterinnen und Mietern hohe Heizungsrechnungen drohen. „Bei der Umsetzung der Wärmewende ist es deshalb unerlässlich, dass die Heizkosten für Mieter nach der Sanierung sinken“, so der DMB.
Der Gesetzentwurf wurde dem Bundestag und dem Bundesrat zur Beratung zugeleitet. Einige Bundesländer fordern schärfere Vorgaben, um die Klimaneutralität schon vor 2045 erreichen zu können.
Jens Sethmann
Immobilienwirtschaft einig in ihrer Kritik
„Die Bundesregierung will die Energiewende mit der Brechstange durchsetzen“, beschwert sich Kai Warnecke, Präsident des Eigentümerverbandes Haus & Grund. Er kritisiert das Verbot neuer Gas- und Ölheizungen, weil bezahlbare technische Alternativen nicht hinreichend vorhanden seien. Haus & Grund sieht den Staat in der Pflicht und ruft nach Fördergeldern. „Der Staat darf die Brocken dieser Mammutaufgabe nicht einfach den Bürgern vor die Füße werfen“, so Warnecke.
Der Zentrale Immobilienausschuss (ZIA) hält den Zeitplan für „eindeutig überzogen“. „Wer die Bevölkerung mitnehmen will, kann mit diesem Zeitdruck auch diejenigen abschrecken, die eigentlich entschlossen sind, mitzuziehen“, sagt ZIA-Präsident Andreas Mattner.
Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW sorgt sich um die sozialverträgliche Umsetzung. „Die geplanten Eingriffe sind massiv“, sagt GdW-Präsident Axel Gedaschko. „Die vielen Mieter mit mittleren und niedrigen Einkommen werden sich zu Recht große Sorgen machen, wie sich der geplante Heizungstausch finanziell für sie auswirken wird.“
js
Regierungsentwurf des Gebäudeenergiegesetzes:
www.bmwk.de/Redaktion/DE/Downloads/Gesetz/entwurf-geg.html
28.05.2023