Jeder braucht sie irgendwann: Handwerkerinnen und Handwerker. Doch ihre Zahl geht in Berlin von Jahr zu Jahr zurück. Man sagt dieser Form des Broterwerbs wohl nach, goldenen Boden zu haben, doch in Berlin droht ihr, der Boden weggezogen zu werden.
Klempner:innen, Maler:innen, Tischler:innen – Mieter kennen sie, denn sie gehören zu den 13 Arten von Handwerkern, die von der Handwerkskammer (HWK) zum „Ausbaugewerbe“ gezählt werden. Sie kommen in die Wohnung, wenn etwas zu reparieren, zu ersetzen oder neu einzurichten ist. Doch es wird schwieriger, einen Termin für solche Arbeiten in der Wohnung zu bekommen, denn ihre Zahl ist in Berlin rückläufig. Von 9022 im März 2023 ist die Anzahl der Betriebe auf 8574 im März 2024 zurückgegangen, ein Minus von über fünf Prozent. Neben dem Fachkräftemangel liegt das vor allem an den Gewerbemieten, erkannte auch die Handwerkskammer Berlin und machte das Thema zu einem der Schwerpunkte des diesjährigen Frühjahrsberichts zur Konjunkturlage des Berliner Handwerks, der am 7. Mai 2024 vorgestellt wurde.
Doppelte bis dreifache Miete bei Vertragsverlängerung
Dabei brachte Carola Zarth, Präsidentin der Handwerkskammer, die schwierige Lage auf den Punkt: „Bei Verlängerung bestehender Mietverträge sehen sich unsere Mitglieder mit Forderungen nach dem Doppelten bis Dreifachen der bisherigen Miete konfrontiert.
„Handwerk hat goldenen Boden“, mögen Vermieter:innen von Gewerberaum denken, die die Mietzahlungsfähigkeit ihrer Klienten offenbar ziemlich hoch einschätzen. Aber, so Carola Zarth: „Was da verlangt wird, kann kein Betrieb wirtschaftlich tragen.“ Und dieser Umstand hat fatale Konsequenzen. Denn wenn ein Handwerksbetrieb seine Gewerbefläche verliert, kann er nicht einfach an anderer Stelle im Kiez neue Räume finden. „Der zieht dann auch nicht etwa nur an den Stadtrand, sondern er verlässt Berlin und zieht ins Umland“, so die Chefin der Handwerkskammer. Für Reparaturaufträge in der Stadt kommen Handwerker:innen auch nicht zurück. Der Anfahrtsweg ist zu weit, und vor allem gibt es am neuen Ort genug Aufträge.
Und so kommt es, dass Berliner Mieter:innen lange suchen müssen, um überhaupt jemand zu finden, der Arbeiten in der Wohnung vornimmt. Hat man einen gefunden, verstreicht meist viel Zeit bis zum angekündigten Termin: 15 Wochen beträgt derzeit die Auslastung der Berliner Handwerksbetriebe im Ausbaugewerbe. Und die Lage verschärft sich noch: „Wir rechnen damit, dass zwei von zehn Betrieben im Innenstadtbereich in den nächsten zehn Jahren einen Standortwechsel vornehmen müssen“ befürchtet Jürgen Wittke, der Geschäftsführer der HWK.
So kann es auch dem Schlosserbetrieb Kruppa von Bernd Ballhause in Kreuzberg ergehen. Seine Auftragsbücher sind gut gefüllt, vor allem Sicherheitseinbauten an den Toren und Türen sind enorm gefragt. „Der Großteil aller Aufträge kommt aus der näheren Umgebung“ sagt der Diplomingenieur. Doch trotzdem blickt Ballhause sorgenvoll in die Zukunft. Er erhält derzeit jeweils nur Folgemietverträge für 12 Monate.
Stefan Klein
Flaute auf dem Bau
Der Rückgang bei den Berliner Handwerkern im Ausbaugewerbe fällt je nach Gewerk sehr unterschiedlich aus. Während bei den Elektrikern, Klempnern, Ofen- und Heizungsbauern und den Stuckateuren in den letzten zwölf Monaten der Bestand gleichgeblieben oder sogar ein kleiner Zuwachs zu verzeichnen ist, sind die Betriebe der Fliesen- Platten- und Mosaikleger und der Estrichleger um mehr als zehn Prozent zurückgegangen. Grund ist nach Auskunft der Handwerkskammer der in diesem Bereich besonders hohe Anstieg der Materialkosten und vor allem der allgemeine Rückgang im Bauhauptgewerbe. Hiervon sind diese Gewerke besonders betroffen, weil der Großteil ihrer Aufträge von den Baufirmen kommt.
stk
01.07.2024